Zigeunerstern: Roman (German Edition)
Gaje-Unternehmer sie vor Gericht zerren, und auch das wäre ja kaum das erste Mal gewesen, und vor Gericht würden die Gaje verlieren – Ja, seht doch, hier steht es doch klipp und klar in Paragraph 22 A – und damit hätte es sich dann. Habt ihr eben mal Scheißpech gehabt, ihr gierigen Gaje!
Doch anstatt vor Gericht zu gehen, heuerten die Gaje-Investoren einfach ein Söldnerheer an und besetzten Iriarte. Das erschien ihnen wohl als eine erfolgversprechendere Taktik als ein Gerichtsverfahren. Als es geschah, war ich auf einer Jahresexpedition. Als ich zurückkehrte, stellte ich fest, dass die kumpania von Esmeraldas Leuten völlig ausgelöscht und ihr Geld- und Landbesitz gewaltsam konfisziert war, dass zahlreiche Familienmitglieder getötet worden waren, dass die Überlebenden in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden waren. Bei der Landung des Söldnerheeres waren Esmeralda und alle unsere Kinder gerade auf Iriarte gewesen. Wo waren sie jetzt? Ich erhielt nur ein Achselzucken als Antwort. Wir nehmen an, sie sind tot, sagte man mir. Jaja, alle, alle tot.
Ich flog in Verzweiflung wieder ab, und es dauerte lange, bis ich darüber hinwegkam. Mir war nun nur mein Besitz auf Xamur geblieben. Dort vergrub ich mich für einige Zeit, und danach reiste ich eine Weile umher. Ich bemühte mich, Esmeralda und die Kinder ausfindig zu machen, aber alle Versuche schlugen fehl. Später heiratete ich dann ein zweites Mal, und dann auch noch ein drittes Mal. Als Partnerbeziehungen waren beide nicht ideal, aber immerhin, es waren offiziell abgesegnete Verbindungen. Ich war eben nicht für ein Leben als Single bestimmt. Es gab auch Kinder, viele Kinder. Und meine erste Familie begann in meiner Erinnerung zu verblassen – die Wunde begann zu heilen.
Am Ende fand ich dann Jacko Bakht, der unter einem anderen Namen in der Hauptstadt lebte, wo er sich ziemlich bescheiden durchbrachte, indem er auf Kosten der weniger klar durchblickenden Reichsprinzen erbärmliche kleine Betrugsgeschäfte tätigte. Von ihm erhielt ich die Bestätigung, dass Esmeralda wirklich umgekommen sei, als die ersten Implosionsbomben gezündet wurden. Und meine Kinder? Auch sie seien da gestorben. Jacko Bakht selbst sah ebenfalls aus wie ein Toter. Ich überließ ihn seinem Elend, und ich habe ihn niemals wiedergesehen. Ich vermute, er sagte die Wahrheit, denn trotz weiterer Nachforschungen erfuhr ich nie wieder etwas von meiner Esmeralda und meinen Kindern. In dieser Galaxis verschwindet aber keiner jemals völlig, es sei denn, er ist wirklich tot. Also waren sie wirklich alle, alle tot, wie Jacko Bakht gesagt hatte.
Alle – außer einem …
Durch irgendeinen grauenhaften Funktionsfehler in der für Gerechtigkeit verantwortlichen Karma-Maschine hatte Shandor die Auslöschung unserer Familie überlebt. Er war nun zwölf Jahre alt und glatt, kalt und glitschig wie Eis. Jahre danach hörte ich Geschichten über einen sagenhaften Teufelsbraten von einem Interstellarpiloten namens Shandor. Natürlich war er ein Rom, obwohl er sich ständig mit einem Haufen berühmter Glamourweiber schmückte, und sie waren samt und sonders Gaje-Frauen. Und das ist schon ein sehr übles Vorzeichen, wenn ein Rom mit Gaje-Weibern herumspielt. Und was man sich so an Geschichten über ihn erzählte, das war ziemlich scheußlich, doch mich bekümmerte das damals nicht weiter. Ich hatte meinen erstgeborenen Sohn allmählich vergessen, und es kam mir überhaupt nicht in den Sinn, dass dieser Mann Shandor etwa mein Sohn Shandor sein könnte. Aber die Geschichten über ihn tauchten immer wieder an allen Ecken auf – Shandor hat das getan, Shandor hat … dieser verrückte Navigator, der sich Sachen erlaubte, für die jeder andere streng bestraft werden würde. Und er kam anscheinend immer ungestraft davon. Die Leute schienen immer nur voller Bewunderung für seine Taten zu sein. (Genau wie ich ihn bewunderte, dass er seinem eigenen Vater glatt ins Gesicht lachte, wenn dieser ihn strafen wollte …) In seiner kühnen erbarmungslosen Konsequenz machte es sich dieser Shandor zur Gewohnheit, nicht zu kalkulierende Risiken einzugehen, und einmal – bei dieser berüchtigten ›Djebel-Abdullah-Affäre‹ – hatte er tatsächlich ein ganzes Sternenschiff auf einem der widerwärtigsten bekannten Planeten zur Havarie gebracht. Er bestritt jede Nachlässigkeit seinerseits. Schlimmer wog, dass es vor dem Raumfahrtsgericht die ungeheuerliche Anschuldigung gab, dass es unter den Überlebenden
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