Zigeunerstern: Roman (German Edition)
ein Krieg aller gegen jeden«, sagte Polarca. »Anfangs drei verschiedene Armeen, die von Periandros, Sunteil und Naria. Dann spaltete sich ein zweiter Doppelgänger vom ersten Periandros-Double ab und bekämpfte den ersten. Und danach brach Narias Armee auseinander und bekriegte sich selbst, und dann gab es eine ganz neue Armee, die zu keinem der drei zu gehören schien. Und dann begriff niemand mehr überhaupt irgend etwas. Es wurde überall gekämpft, und alles wurde zerstört. Wir sind verschont geblieben, weil sie es nicht gewagt haben, auf den Palast des Rom baro zu zielen. Wir hatten deine Paniere aufgestellt und deine Lichterzinken. Trotzdem haben wir aber noch ein paar schwere Treffer abbekommen. Ein ganzer Trakt ist ausgebrannt. Wir glaubten schon, es ist unser Ende. Aber es gab keine Möglichkeit mehr, aus der Capitale hinauszukommen. Der Interstellarhafen ist geschlossen. Es gibt keine Flüge mehr, nirgendwohin.«
»Gaje«, murmelte ich. »Was kann man schon anderes von Gaje erwarten?«
»Du hast irgendwie durch das Ganze hindurch nur geschlafen. Wir fürchteten schon, du würdest nie wieder aufwachen.«
»Die Kämpfe – sind sie jetzt zu Ende?«
»Alles ist vorbei«, sagte Polarca. »Es ist keiner mehr übrig, um zu kämpfen.«
»Und wer blieb dann als Kaiser übrig, als die Kämpfe beendet waren?«
Im Raum herrschte Schweigen. Sie sahen allesamt wie betäubt aus, wie in Trance. Polarca, Damiano, Chorian, Valerian und die anderen, stumm, wie vor den Kopf geschlagen.
»Nun? Ist das eine so komplizierte Frage? Also, wer ist jetzt Kaiser? Sagt es mir schon! Immer noch Naria?«
»Keiner«, sagte Damiano.
»Keiner?«
»Es gibt keinen Kaiser.«
Das ergab keinen Sinn. Kein Kaiser, was sollte das? Kein Kaiser?
Ich sagte: »Wie sollte das möglich sein, kein Kaiser? Es waren doch vorher drei!«
Damiano sagte: »Der Doppelgänger von Periandros wurde von seinen eigenen Soldaten vernichtet. Es kam in Periandros' Hauptquartier zu einer Konfrontation der zwei Doppelgänger. Und da konnten dann alle erkennen, dass es den echten Periandros gar nicht mehr gab, sondern nur zwei seiner Doubles. Also vernichteten sie sie alle beide, und dann spürten sie das dritte Double auf und erledigten auch das.«
Ich nickte bedächtig. »Und Naria? Was geschah mit ihm? Hinter all seinen Schutzvorkehrungen? Den Deflektorschirmen, den Panzern, den Robotern. In seinem Glaskasten?«
»Tot«, sagte Polarca. »Eine Plasmabombe, Direkttreffer auf den Kaiserpalast. Dreißig Sekunden tausend Grad Hitze. Der Palast erlitt kaum Schäden, aber alles Leben darin starb sofort. Naria wurde in seinem eigenen Glaswürfel geschmort.«
»Also war nur noch Sunteil übrig.«
»Er wollte den Palast in Besitz nehmen, nachdem Naria tot war«, sagte Chorian. »Aber Naria hatte das Thronpodest mit Minenfallen ausrüsten lassen. Und so zersäbelten drei Laserstrahlen Sunteil in winzige Fetzchen, kaum dass er sich auf dem Thron niedergelassen hatte. Auslöser war ein versteckter Scanner, der auf Sunteil und einzig und allein auf ihn codiert war und auf die Soma-Daten keiner anderen Person reagieren konnte.« Er wandte den Blick ab. »Ich war dort, als es passierte«, sagte er leise.
»Tot alle drei?« Ich kann es nicht recht glauben. »Die Erzlords? Alle drei tot? Und kein Kaiser, gar keiner?«
»Überhaupt kein Kaiser«, sagte Polarca.
»Aber was werden sie denn tun? Es muss einen Kaiser geben!«
»Leg dich wieder ins Bett, Yakoub!«
»Kein Kaiser …«
»Das ist nicht unser Problem. Geh wieder ins Bett! Streck dich aus! Ruh dich aus und erhol dich!«, sagte Polarca.
Ich funkelte ihn an. »Was glaubst du denn, wen du da herumkommandierst, he?«
Syluise ergriff mich an der Hand. »Bitte, Yakoub. Du warst schwer krank. Es ist erst ein paar Minuten her, dass du wieder bei Bewusstsein bist. Du darfst dich jetzt nicht überanstrengen. Bitte. Erhol dich erst noch ein bisschen mehr!«
»Ich war auf 'nem Geistertrip«, sagte ich. »Ich war keine Spur von krank.«
»Ich bitte dich, Yakoub.«
»Wisst ihr, wo ich war und was ich gesehen habe?«
»Tu es mir zuliebe«, murmelte sie. »Leg dich wieder ins Bett! Damit ich mich nicht zu ängstigen brauche. Wir können es uns nicht leisten, auch noch dich jetzt zu verlieren. Kein Kaiser, kein König …«
Ich blickte im Raum umher. Ich hätte am liebsten gebrüllt, getobt, auf irgendwas oder jemanden eingeschlagen. War ich wirklich dermaßen angeknackst, dermaßen zerbrechlich? Solch ein Wrack?
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