Zigeunerstern: Roman (German Edition)
hast?«
Eine Frau trat vor, oder vielmehr ein Mädchen. Auch da war ich mir späterhin niemals sicher: sie hätte sechzehn sein können, sechsundzwanzig, sechsunddreißig, aber ihr wahres Alter würde stets ihr Geheimnis bleiben. Sie war ungewöhnlich schön und auf schöne Art ungewöhnlich. Ihre Haare bildeten eine azurblaue Wolke, die Lippen waren warm, dunkel und weit auseinanderstehend, die Lippen üppig-einladend. Wo hatte ich nur dieses Gesicht früher einmal schon gesehen, wo? Bei einer von den Huren in dem Bergwerkskaff? Nein, keine dieser Frauen war dermaßen schön gewesen. Einer der Passagiere in dem Sternenschiff? Nein. Nein! Und auf einmal fiel es mir wieder ein: Dies war das Gesicht des bezaubernden Gespenstes, das mich mehrere Male auf Megalo Kastro heimgesucht hatte: in der Bettlerloge, aber auch dann, als ich gestrandet in der Organosee dahintrieb. Aber sie hatte nie zu mir gesprochen. Sie hatte mich nur immer angestarrt und gelächelt. Jetzt aber schauten wir einander an, als wären wir seit langer Zeit schon gute Bekannte.
»Yakoub!«, sagte sie. »Endlich!«
Ich schämte mich in Grund und Boden, wie ich da in meinen dreckbekleckerten Kleidern, meinem Arbeitszeug, vor ihrer strahlenden Schönheit stand.
»Das ist meine Tochter, Malilini«, sprach der königliche Mann. »Ich bin Loiza la Vakako.« Er machte eine Handbewegung zu seinen Robotern. »Säubert ihn und bekleidet ihn.« Sie streiften mir die Kleider vom Leib, so dass ich kurz darauf nackt dastand. Aber ich schämte mich jetzt, da ich vor ihr und vor ihm nackt war, weniger als zuvor in meinen besudelten Kleidern. Man begoss mich und trocknete mich ab, man schnitt mir die Haare, und zu meiner Verblüffung fuhren sie mir sogar mit einem Rasierstrahl über den Flaum auf meinen Wangen; dann kleideten sie mich in ein perlgrau schimmerndes Gewand mit rotem Schabrackengürtel und einem hohen Stehkragen in prächtigem strahlenden Blau. Einer der Roboter wirbelte aus Luftmolekülen vor mir einen Spiegel zusammen, so dass ich meine Erscheinung begutachten konnte … Und ich fand, ich sah hinreißend aus. Fast hätte ich mich in der Bewunderung meines Abbildes verloren. Das Ganze dauerte nur Minuten lang. Malilini strahlte vor Vergnügen über meine Verwandlung. Loiza la Vakako trat nahe an mich heran und inspizierte mich. Er war kaum größer als ich. Er betrachtete mich von oben bis unten, dann nickte er. Er schien offensichtlich mit dem Ergebnis zufrieden zu sein.
Dann packte er meinen eleganten Kragen mit beiden Händen und riss ihn mit einer abrupten Bewegung auf der linken Seite bis zur Hälfte von meinen Schultern. Ich war entsetzt und wie betäubt.
Aber Loiza la Vakako lachte. Er lachte laut und dröhnend aus dem Bauch herauf, wie wir Roma lachen.
»Alle deine Gewänder sollen so zerfetzen und in Stücke gehen! Aber leben sollst du bis zu einem gewaltig hohen Alter in Gesundheit!«
Erst da fiel mir auf, dass er Romansch zu mir sprach. Und diese zeremoniale Zerstörung meiner gerade angezogenen Festkleidung war ein alter Brauch der Lowari. Dann fasste er mich um die Hüfte und führte mich hinaus. Inzwischen hatte ich natürlich begriffen, dass er der Rom baro hier war, der Big Boss auf diesem Planeten, und dass ich in seinem Hause leben sollte. Man gestattete mir nicht, zu meiner Hütte zurückzukehren und meine Besitztümer abzuholen, doch als wir nach einem dreistündigen Flug über diesen schimmernden wundervollen, grandiosen Kontinent in den Palast einzogen, warteten meine paar erbärmlichen Besitztümer auf mich in der mir zugewiesenen Zimmerflucht und sahen neben den unzähligen neuen Dingen, die auf einmal mir gehören sollten und deren Zweck und Gebrauchsmöglichkeit ich kaum zu begreifen begann, sehr schäbig aus.
Und hier lernte ich wahrhaftig kennen, was Luxus und Glanz bedeuten. Der Palast des Loiza la Vakako erhob sich an dem Gestade eines Meeres, das beinahe ebenso seltsam war wie jenes, das mich auf Megalo Kastro beinahe das Leben gekostet hätte; aber hier war die See rot wie Blut, und eine Hitze fast bis zum Siedepunkt stieg davon empor. Dann gab es dort einen mit fahlem lavendelblauen Sand bedeckten Strand, der steil anstieg bis zu einem breiten Schelf, auf dem inmitten dichter Sträucher und Baumbestände mit Pflanzen aus Hunderten Welten der Palast mit seinen maurischen Bögen und Kuppeln sich erhob. Ich habe nie erfahren wie viele Räume es darin gab, und höchstwahrscheinlich änderte sich ihre Zahl von Tag zu
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