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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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eine samtene
Kruste.‹« Der Zollinspektor hörte zu lesen auf und machte ein Gesicht, als hätte
er gerade etwas Absonderliches gegessen. Der eine Polizist warf einen wütenden Blick
auf das Buch, als fühlte er sich verpflichtet, es zu beschlagnahmen oder auf der
Stelle zu vernichten. Der andere zappelte herum wie ein gelangweiltes Kind; er nahm
die [325]  Sportsocke mit dem Dildo und zog den gewaltigen Penis heraus wie ein Schwert
aus der Scheide. Die Socke hing schlaff in seiner linken Hand, während die rechte
den gewaltigen Schwanz an der Wurzel packte, an den steinharten, nachgemachten Eiern.
    Als er schlagartig
erkannte, was er da in der Hand hielt, streckte er den Dildo rasch seinem Kollegen
hin, der das Ding an der zusammengerollten Vorhaut packte, bevor er den gewaltigen
Penis erkannte und ihn auf der Stelle dem Zollinspektor aushändigte. Dieser packte
den Dildo am Hodensack, während er Clea noch immer in der linken Hand hielt;
dann ließ er das Buch fallen und riß dem mit offenem Mund dastehenden ersten Polizisten
die Socke aus der Hand. Aber der eindrucksvolle Penis ließ sich schwerer in seine
Hülle zurückstecken als herausholen, und vor lauter Eile schob der Zollinspektor
das Ding falsch herum hinein. Auf diese Weise wurden die sperrigen Eier in die Ferse
der Socke gezwängt, wo sie steckenblieben und sich nicht weiter hineinschieben lassen
wollten, während das bläuliche Ende (die beschnittene Spitze) oben aus der Socke
herausragte. Das Loch am Ende des gewaltigen Penis schien die Polizisten und den
Zollinspektor mit dem sprichwörtlichen bösen Blick anzustarren.
    »Wo wohnen Sie?«
erkundigte sich der eine Polizist bei Nancy. Er wischte sich die Hand heftig an
einer Stulpe ab – vielleicht um eine Spur des Gleitmittels loszuwerden.
    »Behalten Sie Ihre
Tasche immer bei sich«, riet ihr der zweite Polizist.
    »Einigen Sie sich
mit dem Taxifahrer auf den Preis, bevor Sie einsteigen«, sagte der erste Polizist.
    Der Zollinspektor
vermied es, Nancy anzusehen. Sie hatte mit Schlimmerem gerechnet, hatte befürchtet,
der Dildo würde bestimmt lüsternes Grinsen hervorrufen – zumindest unverschämtes
oder anzügliches Gelächter. Aber sie war im Land des linga – glaubte sie zumindest. Wurde der
Phallus hier nicht als Symbol verehrt? Nancy meinte gelesen zu haben, daß der Penis [326]  ein Symbol des Gottes Shiva war. Vielleicht hatten diese Männer noch nie ein
so realistisches (wenn auch übertriebenes) linga gesehen wie das, das Nancy in ihrer
Tasche hatte. Vielleicht hatte sie dieses Symbol für unheilige Zwecke benutzt. Wollten
diese Männer etwa deshalb nichts mit ihr zu tun haben? Aber die Polizisten und der
Zollinspektor dachten nicht an lingas oder an den Gott Shiva; sie waren
schlichtweg entsetzt über den tragbaren Penis.
    Die arme Nancy mußte
ganz allein den Weg zum Ausgang finden, wo sie von den schrillen Schreien der Taxifahrer
empfangen wurde. Eine unendliche Taxischlange erstreckte sich in die höllische Schwärze
dieses Außenbezirks von Bombay; mit Ausnahme der hellen Fläche des Flughafens gab
es in Santa Cruz keine Lichter – den Flugplatz Sahar gab es 1969 noch nicht. Inzwischen
war es drei Uhr morgens.
    Nancy mußte mit
ihrem Taxifahrer um den Fahrpreis ins Zentrum von Bombay feilschen. Nachdem sie
den Betrag ausgehandelt und im voraus bezahlt hatte, gab es trotzdem noch Schwierigkeiten.
Der Fahrer war ein Tamile, offenbar erst seit kurzem in Bombay und behauptete, weder
Hindi noch Marathi zu verstehen. Nancy hörte, wie er in gebrochenem Englisch andere
Taxifahrer nach dem Weg ins Taj Mahal fragte.
    »Lady, Sie sollten
nicht mit ihm fahren«, erklärte ihr ein anderer Taxifahrer, aber sie hatte bereits
bezahlt und saß auf dem Rücksitz des Taxis.
    Als sie in Richtung
Stadt fuhren, führte der Tamile ein ausführliches Gespräch mit einem anderen tamilischen
Taxifahrer, der gefährlich dicht neben ihrem Taxi herfuhr; mehrere Meilen fuhren
sie Tür an Tür – durch die grenzenlose Dunkelheit vor der Dämmerung, vorbei an den
unbeleuchteten Slums, deren Bewohner anhand des Gestanks ihrer Exkremente und ihrer
erloschenen oder verlöschenden Feuer auszumachen waren. (Was verbrannten sie eigentlich?
Abfälle?) Als am Stadtrand von Bombay, wo es [327]  noch immer keine elektrische Beleuchtung
gab, die ersten Gehsteige auftauchten, rasten die beiden Tamilen noch immer Seite
an Seite – selbst durch die wüstesten Kreisverkehre –, wobei sich ihr Gespräch von
einem

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