Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
deutlich als Sikh zu erkennen ist.
    Dabei war Dr. Daruwalla
der Meinung gewesen, der Film sei unheimlich komisch!
    In der Dunkelheit
des Ladies’ Garden dachte Farrokh erneut darüber nach. Vielleicht hätte Inspector Dhar
und der erhängte Mali für Kanadier unheimlich komisch sein können – die ansehnliche Zahl kanadischer Gärtner
natürlich ausgenommen. Aber die Kanadier hatten den Film nie zu sehen bekommen,einmal
abgesehen von ehemaligen Bewohnern Bombays, die inzwischen in Toronto lebten. Sie
sahen sich sämtliche Inspector-Dhar-Filme auf Videokassetten an, und sogar sie waren
beleidigt. Inspector Dhar selbst hatte seine Filme nie besonders komisch gefunden.
Und als Dr. Daruwalla Balraj Gupta gefragt [200]  hatte, ob er die Inspector-Dhar-Filme
komisch (oder zumindest satirisch) fände, hatte der Regisseur ganz spontan geantwortet:
»Sie spielen eine Menge Laks ein! Und das ist komisch!«
    Doch das fand Farrokh
nicht mehr komisch.
    Und wenn Mrs. Dogar ein › hijra ‹ wäre?
    Sobald
die abendliche Dunkelheit hereinbrach, nahmen die ersten Duckworthianer mit kleinen
Kindern die Tische im Ladies’ Garden ein. Die Kinder aßen gern im Freien, doch nicht
einmal ihre begeisterten, schrillen Stimmen konnten Farrokhs Reise in die Vergangenheit
stören. Mr. Sethna mißbilligte kleine Kinder grundsätzlich – ganz besonders mißbilligte
er es, wenn sie mit den Erwachsenen aßen –, betrachtete es aber trotzdem als seine
Pflicht, Dr. Daruwallas momentane Gemütsverfassung im Ladies’ Garden im Auge zu
behalten.
    Mr. Sethna hatte
Dhar mit dem Zwerg weggehen sehen, doch als Vinod in den Duckworth Club zurückkehrte
– der Butler nahm an, daß der tückische Knirps sein Taxi auch Dr. Daruwalla zur
Verfügung stellen wollte –, war er nicht wie üblich in die Eingangshalle und wieder
hinaus gewatschelt, sondern war in die Sportwerkstatt gegangen, zu den Balljungen
und den Schlägerbespannern, mit denen er sich gut verstand. Vinod war bei ihnen
als Abfallsammler recht beliebt. Mr. Sethna mißbilligte das Abfallsammeln ebenso
wie Zwerge; er fand Zwerge widerlich. Die Balljungen und die Leute in der Werkstatt
fanden Vinod niedlich.
    Auch wenn die Filmpresse
Vinod anfangs scherzhaft als »Inspector Dhars Leibzwerg« bezeichnete – gelegentlich
nannte sie ihn auch »Dhars schlägernden Chauffeur« –, nahm Vinod seinen Ruf ernst.
Er war stets gut bewaffnet, wobei die von ihm bevorzugten Waffen nicht nur vom Gesetz
erlaubt waren, [201]  sondern sich auch leicht in seinem Wagen verstecken ließen. Vinod
sammelte in der Sportwerkstatt des Duckworth Club die Griffe von Squashschlägern
ein. Wenn ein Schlägerkopf abbrach, sägte ihn einer der Männer, die sonst die Schläger
bespannten, ab und schliff den Griff zurecht, bis er glatt war. Das übrigbleibende
Stück war aus extrem hartem Holz und hatte genau die richtige Länge und das richtige
Gewicht für einen Zwerg. Vinod mochte nur hölzerne Griffe, und die wurden immer
seltener. Aber er hortete sie, und bei seiner Art, sie zu benutzen, zerbrach er
selten einen. Er stieß und schlug mit einem Schlägergriff zu – zielte dabei auf
die Hoden oder die Knie oder auf beides –, während er den anderen Griff außer Reichweite
hielt. Der Angegriffene versuchte unweigerlich, die hölzerne Waffe zu packen, und
dann knallte ihm Vinod den anderen Griff aufs Handgelenk.
    Es war eine unschlagbare
Methode. Bring den Mann dazu, nach dem einen Schlägergriff zu greifen, und brich
ihm mit dem anderen das Handgelenk. Zum Teufel mit den Köpfen – die konnte Vinod
meist ohnehin nicht erreichen. Normalerweise beendete ein gebrochenes Handgelenk
den Kampf, und wenn einer so dumm war weiterzukämpfen, mußte er eben mit einer Hand
gegen zwei Schlägergriffe kämpfen. Daß die Filmpresse den Zwerg zum Leibwächter
und Schlägertypen abgestempelt hatte, machte Vinod nichts aus. Er beschützte Inspector
Dhar nämlich wirklich.
    Mr. Sethna mißbilligte
derartige Gewaltanwendung und auch die Leute in der Werkstatt, die Vinod mit einem
Arsenal an Squashschlägergriffen versorgten. Die Balljungen gaben dem Zwerg außerdem
dutzendweise ausrangierte Tennisbälle. Das Dasein als Chauffeur brachte Vinods Aussage
zufolge eine Menge »Warterei« im Auto mit sich. Um sich die Zeit zu vertreiben,
knetete der ehemalige Clown und Artist die alten Tennisbälle und kräftigte so seine
Handmuskulatur. Außerdem [202]  behauptete er, diese Übung würde seine Arthritis lindern,
obwohl

Weitere Kostenlose Bücher