Zitadelle des Wächters
Die Falten hatten tiefe Kniffe hinterlassen, und die Ecken waren vom vielen Gebrauch völlig zerfleddert: ein stummes Testament von Stoors Leben voller Reisen.
„Nun, ich würde vorschlagen, wir fahren erst einmal ein Stück nach Süden und biegen dann in den Samarkesh Burn ab. Das ist die Hölle auf Erden dort!“
„Bist du dort schon einmal gewesen?“
„Nur wenn ich mußte. Banditen haben mich vor Jahren durch den Burn gejagt, bevor das Interdikt über diese Tiere verhängt wurde und bevor ich Raim getroffen habe. War ein hartes Stück Arbeit, aber ich hab’s geschafft.“ Stoor drückte aufs Gaspedal und bediente den Methanantrieb. Die Maschine heulte auf, als sie auf Touren gebracht wurde, um eine steile Anhöhe zu überwinden, die sie gerade erreichten.
Varian ließ die Unterhaltung einen Moment ruhen. Wenn er dem alten Mann zu hart zusetzte, würde der sofort wieder eine reich ausgeschmückte Geschichte erzählen, und dazu war Varian im Augenblick nicht in der Stimmung. Varian interessierte sich vielmehr für das bevorstehende Abenteuer, für ihre Ausrüstung und für die Techniken, die für ein Überleben in der Wüste notwendig waren.
„Erkläre mir doch bitte mal den ‚Sucher’“, sagte Varian schließlich und zeigte auf eine Reihe von Knöpfen an der Konsole.
„Da gibt es nicht viel zu erklären. Ich weiß nur sehr wenig darüber, wie er funktioniert. Ich weiß lediglich, daß er funktioniert, und das genügt mir.“
„In Elahim sollen Seeleute mit Radiogeräten und ähnlichem Zeug herumexperimentiert haben. Sie behaupten, sie könnten Schiffe jenseits des Horizonts aufspüren, wo man mit dem Auge nicht mehr hinsehen kann. Ist der Sucher etwas in der Art?“
„Er ist noch viel besser. Die Burschen aus der Ersten Zeit waren eine schlaue Bande, das sage ich dir doch schon die ganze Zeit. Dieses Ding hier leuchtet auf, wann immer wir in die Reichweite eines metallischen oder steinernen Gegenstands kommen. Und dieses Panel hier wird Informationen ausspucken, die uns den genauen Standort des Objekts angeben.“
„Und wie groß ist die Reichweite dieses Dings?“
„Ziemlich groß. So um die vierhundert Kas.“
Varian schüttelte den Kopf. Bei einer Technik, die solches herstellen konnte, mußte Magie im Spiel sein. Und was sein Verständnis dieser Technik anging, so konnte genausogut alles blanke Zauberei sein. „Läuft er die ganze Zeit?“
Stoor nickte. „Er fängt an zu piepsen, sobald etwas in seine Reichweite kommt. Dann haben wir die Auswahl, entweder zu diesem Etwas hinzufahren und es zu untersuchen oder daran vorbeizufahren. Dank meiner Karte und meiner Kenntnisse von diesem Gebiet können wir an einer Menge Krempel vorbeifahren – denn meistens kann ich mir denken, um was es sich handelt.“
Stoor deutete auf die Karte. „Wie hier zum Beispiel: Da liegt ein ausgebombtes Kloster. Wenn wir in dieser Richtung weiterfahren, wird der Sucher ausschlagen.“
„Und wir fahren daran vorbei, ohne uns genauer umzusehen, nicht?“ Varian beobachtete den Bildschirm, auf dem ein helles, gelbgrünes Licht strahlte.
„Ja.“
„Aber … Moment mal …“ sagte Varian. „Stell dir mal vor, der Wächter steht irgendwo zwischen diesen Ruinen. Unter dem Kloster vielleicht. Und wenn wir daran vorbeifahren …?“
„Dann würden wir ihn nicht finden, nicht wahr?“ rief Stoor lachend.
Varian schwieg. Er verstand im Moment gar nichts mehr.
„Hör mal, mein Junge“, sagte der alte Mann. „Das Kloster steht schon seit Urzeiten dort, und jeder weiß das. Jeden Stein dort habe ich umgedreht, und damals war auch ein ganzer Haufen Schuljungen dort zu Gange. Falls der Wächter wirklich dort sein sollte, nun, dann ist er so gut versteckt, daß niemand
Weitere Kostenlose Bücher