Zitronentagetes
Jahre ein falsches Bild von seinem Vater gemacht?
*
»Da bist du ja. Ich war mir nicht sicher, ob du das möchtest, aber ich habe dir zwei Scheiben Schweinebraten, Soße, Rotkohl und Kartoffeln warm gehalten. Wir sollten da vielleicht eine Regelung treffen. Ist dein Dad schon wieder fort? Ich finde ihn wirklich nett. Für ihn reicht das Essen wohl auch noch. Bertha meint es immer recht gut. Hey, hörst du mir überhaupt zu?« Flo tippte ihm an die Schulter.
»Entschuldige, was?«
Bevor sie alles wiederholte, ergriff sie seine Hand und zog ihn hinter sich her in die Küche. Ohne Umstände drückte sie ihn auf einen der Stühle. Sie nahm einen Teller aus dem Schrank und häufte die Speisen auf. Mit den Augen fragte sie ihn, ob es genug war, während sie von etwas anderem sprach.
»Deine Mom war hier. Sie hat Bertha fünf Gläser Birnenkompott für dich in die Hand gedrückt. Hast du als Kind wohl sehr gemocht.«
»Es genügt«, warf er rasch ein, als sie erneut zur Kelle griff.
»Meinst du wirklich? Das scheint mir für einen Mann aber eine mickrige Portion.«
»Vielleicht verstehst du nicht allzu viel davon.«
»Von Männern – haha. Da muss man nicht viel wissen. Einfach nur nackt ausziehen, ein bisschen mit den Hüften wackeln und schon versprechen sie dir alles.«
»Könnte was dran sein«, stimmte er zu und schob sich artig den ersten Bissen in den Mund.
»Wie wollen wir das also regeln?«
»Du kannst nackig für mich putzen, das macht dann einen Extrabonus.«
Sie klopfte kurz mit der flachen Hand auf den Tisch und setzte eine strenge Miene auf. »Ich meinte, das mit dem Essen. Willst du in Zukunft selbst einkaufen und dir etwas zusammenrühren?«
»Äh … Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
»Vergiss das Kauen nicht.«
Sie einigten sich, dass er Kostgeld zahlen und Flo einkaufen würde. Jetzt erst nahm er sie genauer unter die Lupe. Sie trug ihren Hausanzug, darüber eine Strickjacke und aus den Häschenpantoffeln lugten dicke Socken hervor.
»Nackt sieht aber anders aus, Birdie.«
»Die Heizung ist ausgefallen. Hier in der Küche ist es ja noch recht angenehm, aber …«
»Warum sagt mir denn keiner was? Schließlich bin ich jetzt der Mann im Haus.«
Sie verdrehte gekonnt die Augen.
»Die Anlage ist total veraltet. Immerhin habe ich beim Praxisumbau die neuen Anschlüsse und Leitungen projektiert. Aus Kostengründen hat Charlotte damals Kompromisse eingehen müssen und den größten Teil der alten Leitungen belassen. Der Heizkessel hat seine besten Jahre lange hinter sich.« Nach einigen Versuchen schaffte Marc es, ihn wieder in Gang zu bringen. »Ich schätze, es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis er wieder ausfallen wird. Vielleicht sollte ich noch heute mit Charlotte reden.«
»Geld spielt für sie, nun, da sie mit einem Rockstar zusammenlebt, keine Rolle mehr.«
»Genau.«
»Außerdem bringt auch die Zahnarztpraxis ganz gut etwas ein.«
Marc schickte sie wieder hoch, er wollte noch etwas kontrollieren. Flo blieb oben am Absatz der Kellertür stehen.
Er blieb an – dem Himmel sei Dank.
»Du hast es geschafft«, brüllte sie unnötigerweise nach unten.
»Ja.«
»Pass auf die Treppenstufen auf.«
»Ich geb mir Mühe.«
»Juhu, dann werde ich so gegen Abend aufgetaut sein.«
»Warum nimmst du kein Bad?«, schlug er vor.
»Weil ich keine Wanne habe. Die einzige Badewanne im Haus steht bei dir.« Sehnsüchtig sah sie ihn an.
»In einer halben Stunde ist das Wasser warm genug, dann kannst du dir die Wanne volllaufen lassen.«
»Du bist ein Schatz. Aber du bestehst nicht darauf, mit ins warme Nass zu steigen?«
»Birdie, das würde dich nur aus der Fassung bringen.«
»Oh, zu gütig.«
Marc war ruhelos. Zu viele Gedanken kreisten in seinem Kopf. Eine Neuplanung der Heizungsanlage für dieses Haus wäre ein angenehmer Anlass, um sich wieder mit der Arbeit zu befassen. Der Zeitpunkt war so gut wie jeder andere. Nun, das stimmte nicht ganz, aber immerhin sollte er es versuchen, auch wenn er vielleicht in den kommenden Monaten ins Gefängnis musste. Beinahe kam ihm bei diesem Gedanken das Essen wieder hoch. Er drängte es zurück.
Dann sein Vater – sagte er die Wahrheit? Könnte gut möglich sein. Aber gab es so etwas tatsächlich?
Sollte er demnächst wieder in die Firma gehen? War er der Belastung überhaupt schon gewachsen? Auf alle Fälle brauchte er etwas zu tun – irgendetwas Sinnvolles. Vielleicht würde er dann nicht mehr so viel
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