Zodiac - Auf der Spur eines Serienkillers
des Tötens mit der Lust am Sex zu vergleichen, deutet gewöhnlich auf Minderwertigkeitsgefühle hin.
Er hat wahrscheinlich das Gefühl, dass seine Mitmenschen aus irgendeinem Grund auf ihn herabblicken. Der Glaube, dass seine Opfer in einem Leben nach dem Tod seine Sklaven sein würden, ist der Ausdruck eines Allmachtsgefühls, das auf einen paranoiden Größenwahn hindeutet; er greift dabei auf eine Vorstellung zurück, wie sie in der Geschichte der Menschheit bei primitiven Völkern recht häufig anzutreffen war.
Hinter den höhnischen Bemerkungen und den Telefonanrufen könnten die Bitte stecken, dass man ihn identifizieren und finden möge, damit er sich dann in einer letzten großen Geste das Leben nehmen könnte, um die Welt sozusagen dafür zu bestrafen, dass sie ihn ignoriert hat.«
4
Cecelia Ann Shepard
Samstag, 27. September 1969
Für Cecelia Ann Shepard war heute der Tag des Abschieds von ihrem Freund Bryan Hartnell, einem Studienkollegen am Pacific Union College in Angwin, Napa County. Sie hatte den groß gewachsenen, gut aussehenden angehenden Studenten der Rechtswissenschaft schon in ihrem ersten Semester am PUC kennen gelernt, und die beiden hatten sich einmal sehr nahe gestanden.
Nachdem sie die Sommerferien bei ihren Eltern in Loma Linda verbracht hatte, war Cecelia für das Wochenende zum College zurückgekehrt, um die wenigen Sachen, die sie noch dort hatte, zusammenzupacken und nach Südkalifornien zu transportieren. Nachdem sie ihre zwei Jahre in Angwin absolviert hatte, wechselte sie nun an die Universität in Riverside, um ab Herbst dort Musik zu studieren.
Hartnell war aus Troutdale, Oregon, wo er ebenfalls seine Eltern besucht hatte, hergefahren, um Cecelia beim Packen zu helfen. Die beiden trafen sich schon am frühen Morgen am PUC und verbrachten nach dem Gottesdienst eine Stunde damit, Cecilias Sachen in Kisten zu packen. Die Luft war erfrischend, als sie von Newton Hall zwischen den modernen braunen und weißen Gebäuden zur Schulcafeteria hinübergingen.
Beim Mittagessen fragte Bryan: »Hast du heute Nachmittag schon irgendwas vor?«
»Warum?«
»Na ja, wir könnten ja ein bisschen spazieren gehen oder nach San Francisco fahren. Einfach nur, weil wir so gute Freunde waren.«
Bryan öffnete die Beifahrertür seines weißen VW Karmann Ghia, um das zierliche blonde Mädchen einsteigen zu lassen. Dann sprang er ebenfalls in den Wagen und die beiden fuhren gut gelaunt die Howell Mountain Road entlang, vorbei am St. Helena Sanitarium, und weiter zum Highway 29, wo sie links in Richtung Rutherford abbogen und in das Gebiet kamen, wo die traditionsreichen Weingüter wie Inglenook und Beaulieu zu Hause waren. Auf einem Kirchenflohmarkt für wohltätige Zwecke in Napa kauften sie einen alten Fernseher. Danach fuhren sie nach St. Helena weiter, wo sie ein paar Dinge besorgten und Freunde besuchten, ehe sie später ein paar von ihnen nach Hause brachten.
Anstatt nach San Francisco weiterzufahren, schlug Bryan vor, einen Abstecher nach Lake Berryessa zu machen. »Es gibt da ein schönes Plätzchen am See, wo ich schon öfter gewesen bin«, sagte er zu Cecelia.
Die beiden fuhren über das Pope Valley und die Knoxville Road am Ufer des künstlich angelegten Sees entlang. Der Lake Berryessa ist über vierzig Kilometer lang und fast fünf Kilometer breit. Es wimmelt darin von Sonnenfischen, Welsen, Regenbogenforellen und Schwarzbarschen.
Kurz zuvor, um etwa 14.50 Uhr, waren drei einundzwanzigjährige Frauen auf demselben Weg gekommen wie Bryan und Cecelia. Als die drei ihren Wagen in der Nähe eines A&W-Restaurants parkten, hielt ein anderer Wagen, von einem Mann gelenkt, neben ihnen an. Der Mann saß mit gesenktem Kopf da, so als lese er - doch die Frauen hatten irgendwie das Gefühl, dass er nur so tat.
Sein Auto war ein silberfarbener oder eisblauer Chevrolet mit kalifornischen Nummernschildern. Der Fahrer war fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Jahre alt, etwa einsfünfundachtzig groß und neunzig bis hundert Kilo schwer. Er trug keine Brille, und sein glattes schwarzes Haar war auf der Seite gescheitelt. Bekleidet war er mit einem schwarzen kurzärmeligen Sweatshirt und einer dunkelblauen Hose. Hinten hing ihm ein T-Shirt aus der Hose, doch er wirkte gepflegt und sah durchaus nicht schlecht aus. Der Mann rauchte eine Zigarette nach der anderen.
Die Mädchen fuhren schließlich zum See weiter. Als sie eine Stunde später in der Sonne lagen, fiel ihnen der Mann wieder auf, der
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