Zorn der Meere
habt.«
»Und was wird aus Jan?«
»Das ist etwas anderes, Jacobs. In dem Fall kann und will ich nicht schweigen. Für den Überfall auf Frau van der Mylen wird er bestraft.«
-298-
»Was ist, wenn er mich mit hineinzieht? Was, wenn er mich als Hintermann bezichtigt?«
Jacobs beobachtete den Kommandeur aus den Augenwinkeln.
Er steckt mit mir in der Klemme, dachte er. Er braucht mich, damit ich seine Aussagen bestätige. Ich muss bezeugen, dass er nicht pflichtvergessen war. Außerdem weiß er, dass ich der Einzige bin, der das Wrack aufspüren kann, und wenn er der Companie nicht das Silber beschafft, ist seine Zukunft dahin.
»Warum sollte Jan Euch bezichtigen?«, hörte er den Kommandeur fragen.
»Was weiß ich«, entgegnete der Kapitän. »Um mich zu Fall zu bringen, vielleicht. Er ist wütend, weil ich ihm nicht aus dem Kerker geholfen habe.«
»Habt Ihr denn tatsächlich hinter dem Angriff auf Frau van der Mylen gestanden?« Francois blickte Jacobs nun voll ins Gesicht. »Wenn dem so ist«, setzte er hinzu, »kann ich nichts für Euch tun. Ein derartiges Verbrechen nehme ich nicht hin.«
»Ich hatte damit nichts zu schaffen. Ich schwöre es.«
Francois seufzte tief auf.
Er ist erleichtert, erkannte der Skipper. Letztlich ist er doch kein Narr und hat erfasst, dass wir beide in der Tinte sitzen, wenn wir uns nicht gegenseitig helfen.
»Der Gouverneur wird uns mit Sicherheit unangenehme Fragen stellen«, begann Francois nach einer Weile. »Ihr habt das Schiff der Companie verloren - und ich ein beträchtliches Vermögen. Wir sollten uns einigen. Was haltet Ihr davon?«
Als der Kapitän schwieg, fuhr Francois eindringlicher fort:
»Gewiss hatten wir in der Vergangenheit Schwierigkeiten miteinander, doch das ist nun vorbei. Inzwischen habe ich mir ein neues Bild von Euch gemacht. Ihr seid ein Held, Adriaen.
Überdies gibt es niemandem, dem ich zutrauen würde, die Batavia wiederzufinden.«
-299-
Jacobs grinste. Sie hatten sich eindeutig verstanden.
»Ihr seid im Grunde gar kein so übler Bursche, Francois«, lobte der Skipper und klopfte ihm auf die Schulter. Danach erhob er sich, um sich einen Platz zum Schlafen zu suchen.
Auf dem Friedhof
Lucretia saß am Strand, als Jeronimus neben ihr auftauchte.
Er machte einen ausgesprochen zufriedenen Eindruck und überreichte ihr einen zerknitterten Bogen Papier.
Lucretia nahm ihn verwundert entge gen. Er war beschrieben.
Sie erkannte die Handschrift von Francois. Sie war indes kaum zu lesen, denn die Tinte war an etlichen Stellen ausgelaufen und verschmiert.
Lucretia versuchte, die Worte zu entziffern.
AN DIE PASS IEREUNDD MA SCHA T DER BATAV
Da auf der In d Gestr d ten kein Tri wa r vor den ist, wer ich mich mit ei Expe ion auf die ho Insel bege , um mit Gott Hilfe fri Wasser zu f den. Sobald die Me hen versorgt sind, we ich nach Java se In, um den Gouv eur zu unterrichten und um Hi zu bit n.
Wir wer alles Men nmög tun, um eu aus eurer Not zu erre n.
Eigenh ig verf und untersch eben.
FRANCOIS PELSAERT
Lucretia spürte, dass Jeronimus sie ansah, während sie den Text studierte. Als sie ihm das Papier zurückreichte, begegnete sie seinem Blick. Ihre Miene wurde verschlossen. Sie wollte nicht, dass er merkte, wie schwer ihr das Herz geworden war.
»Wo habt Ihr das gefunden?«, erkundigte sie sich leise. »Pieter Janz hat es auf der Verräterinsel entdeckt.« Lucretia blickte zu Boden. Sie hasste diese Bezeichnung. Francois war kein Verräter.
-300-
»Ich habe es immer gewusst«, triumphierte Jeronimus. »Euer Liebster ist geflüchtet und hat uns aufgegeben.«
Lucretia hob die Brauen. Euer Liebster? Sie entsann sich einer früheren Begebenheit, in der Jeronimus ähnliche Anspielungen gemacht hatte. Es war in der Nacht des heftigen Sturmes gewesen, als sie sich noch auf der Batavia befanden. Was geht in diesem Menschen vor? überlegte sie. Woher stammen die seltsamen Schwankungen seines Gemüts? Wie kommt es, dass er an einem Tag liebenswürdig, am anderen aber abscheulich und zudringlich ist?
»In diesem Fall versteht Ihr sein Schreiben anders als ich«, bemerkte Lucretia abweisend.
Jeronimus machte eine wegwerfende Geste. »Er hat uns aufgegeben«, wiederholte er. »Er hatte niemals vor, zurückzukommen. Weder wegen Euch noch wegen irgendeinem anderen. Er hatte stets nur seine eigene Sicherheit im Sinn.«
»In dem Brief steht das Gegenteil«, beharrte Lucretia trotzig.
»Im Übrigen meine ich mich zu erinnern, dass Ihr einmal sehr
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