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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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ihm vereinen sich Liebe, Pflichteifer und Geltungssucht.
    Lucretia ist das feurigste meiner Gewürze, doch das erwähnte ich ja bereits. Mit einer schönen Frau macht man grundsätzlich nichts falsch.
    Köstlich, nicht wahr?
    Oh, Verzeihung, ich weiß, der Koch sollte sich nicht loben.
    Das ist auch gut so, denn sonst geriete ich ins Schwärmen.
    Ob ich trotzdem noch einmal nachpfeffere?
    Mögen Sie es, wenn es hinterher noch ein wenig auf der Zunge brennt?
    Prächtig. Dann hätten wir ja denselben Geschmack!

    Fünfundvierzig Grad und sieben Minuten südlicher Breite vierzehnter Tag des Mai im Jahre des Herrn, 1629

    Mitten in der Nacht schlug Lucretia die Augen auf. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Noch leicht benommen horchte sie
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    in die Finsternis hinein. Nein, nichts außer dem Knarzen der hölzernen Planken. Mit einem Mal spürte sie, dass etwas über ihren Hals kroch. Ein Tier, eine Kakerlake! Angeekelt schlug sie danach und fuhr sich über Kehle und Gesicht.
    Anschließend war sie hellwach.
    Da. Da war es wieder. Ein vorsichtiges, ängstliches Pochen.
    Lucretia erhob sich und warf sich ihren Morgenmantel über.
    Sie öffnete die Tür. Niemand. Der lange Schiffsgang lag gähnend leer vor ihr.
    Lucretia wollte die Tür bereits wieder schließen, als sie huschende Schritte zu vernehmen glaubte.
    »Ist da jemand?«, rief sie. Vielleicht war Francois abermals erkrankt, vielleic ht war jemand gekommen, um sie zu holen!
    Sie trat einen Schritt auf den schmalen Gang hinaus.
    Wie aus dem Nichts stürzten sie hervor und fielen über sie her.
    Eine Hand packte sie grob, eine andere presste sich auf ihren Mund. Eine dritte zerrte an ihren Haaren und riss ihren Kopf zurück. Als Lucretia sich wehren wollte und um sich trat, ergriff eine vierte ihre Füße und zog sie unter ihr fort.
    Sie wurde in ihre Kabine zurückgetragen, wo sich eine raue Hand um ihre Kehle schloss und zudrückte.
    Lucretia merkte, dass ihr die Sinne schwanden.
    Woran erinnerte sie sich hinterher, und was war lediglich ihrer Einbildung entsprungen?
    Ihr Nachtgewand zerrissen. Schwielige Hände, die über ihren Körper fuhren und kniffen, Finger, die in sie stießen, ein bohrender, brennender Schmerz. Einer, der sich auf sie wälzte.
    Sie wusste, was er tat, doch ihr Verstand weigerte sich, es zu begreifen. Dergleichen konnte nicht geschehen, war gar nicht möglich, hier in ihrer Kabine, auf einem voll beladenen Schiff.
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    Als der Griff um ihre Kehle nachließ, wollte Lucretia schreien. Sogleich presste sich eine Hand auf ihren Mund.
    Sie hatte panisch zugebissen, dessen entsann sie sich.
    Danach traf sie ein Faustschlag an der Schläfe, woraufhin die Welt abermals dunkel geworden war.
    Als Lucretia zu sich kam, waren sie immer noch zugange.
    Wie viele waren es? Viele? Wenige, die sich abwechselten?
    Zum Schluss hatten sie ihren Körper mit einem übel riechenden Schleim beschmiert, mit etwas, das den Gestank von Teer und Kot verströmte. Zwischendurch war sie mit einem Lappen geknebelt worden, an dessen Nachgeschmack sie würgte, bis sie sich krümmte und sich unter Krämpfen erbrach.
    Sie hatte gewimmert, das wusste sie - es hatte ihr einen weiteren Faustschlag eingetragen.
    Dann war es plötzlich still geworden.
    Nun waren sie fort.
    Lucretia sah einen weißen Streifen Mondlicht über den Fußboden kriechen.
    Sie versuchte, sich aufzusetzen. Ihre Hände tasteten sich zu ihrem Hals, vermochten kaum den Knebel, der heruntergerutscht war, aufzuknoten und abzureißen.
    Sie beugte sich vor und begann abermals zu würgen.
    Von ihrer Mitte ausgehend breitete sich der Schmerz aus, beißend und scharf.
    Niemand durfte sie so sehen.
    Im dünnen Mondlicht tastete Lucretia nach ihrem Morgenmantel, entledigte sich der Fetzen ihres Nachtgewandes, die sie in der Faust zerknüllte. Sie spürte einen Klagelaut aufsteigen, der sich anhörte, als käme er von einem Tier, und dem sie verwundert nachlauschte, bis sie erkannte, dass sie es war, die ihn ausstieß.
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    Noch in den frühen Stunden des neuen Tages lag Lucretia auf dem kalten Boden. Sie fror, doch sie rührte sich nicht. Dazu fehlte ihr die Kraft. Ihr fehlte auch die Kraft, sich von dem Schmutz zu befreien, mit dem man sie beschmiert hatte.
    Stattdessen ließ sie ihn trocknen, zusammen mit den Spermaspuren und ihrem Blut.
    Als Lucretia sich später erhob, war ihr rechtes Auge zugeschwollen.
    Doch das war nur eine Äußerlichkeit.
    Innerlich fühlte sie sich völlig zerstört, erloschen wie

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