Zorn: Thriller (German Edition)
Ermittlungen im Mordfall Vacek in entscheidender Weise erleichtern, wenn wir zumindest einen Hinweis auf eine mögliche Spionagetätigkeit erhielten.«
Das unverkennbare Brummen eines Handys ertönte aus Admiral Lloyds Hosentasche. Er zog es hervor und warf einen Blick auf das Display. Dann sagte er: »Sie müssen mich für einen Augenblick entschuldigen, Kommissar Hjelm.«
Während Lloyd, ohne eine Antwort abzuwarten, auf die Tür zuging, aus der er gekommen war, entgegnete Hjelm: »Natürlich. Aber ich bin ebenso wenig Kommissar, wie der Admiral Leutnant ist.«
Lloyd verließ den Raum mit einem schiefen Lächeln.
Hjelm wartete fünf Minuten, aus denen schnell zehn und dann fünfzehn wurden. Schließlich fragte er sich, ob ihn der Admiral womöglich einfach sitzen gelassen hatte. Er war der Meinung, dass man ihm zumindest einen Kaffee hätte anbieten können.
Schließlich wurde die Tür geöffnet, und Lloyd kam wieder herein, in der Tat mit zwei Tassen Kaffee auf einem Tablett.
»Entschuldigen Sie die Unterbrechung«, sagte er, nahm wieder Platz und reichte Hjelm eine der Tassen.
Hjelm trank einen Schluck von dem Kaffee, der unerwartet gut schmeckte, und entgegnete: »Keine Ursache. Was mich betrifft, freut es mich, dass Sie die Frage aufgegriffen und nicht einfach ignoriert haben.«
Schiefer Blick von Lloyd, dann: »Die Antwort lautet ja. Roman Vacek hat lange für uns gearbeitet und dann den Wunsch geäußert, seinen Lebensabend in seinem Heimatland zu verbringen. Sein Auftrag dort war einfach, eher eine Art Altersversorgung: Er sollte bei Bedarf Bericht erstatten über die internen Vorgänge innerhalb der letzten tatsächlich noch funktionierenden Kommunistenpartei Europas. Zudem konnte er die Fragen, die ihm am Herzen lagen, ungehindert auf die Tagesordnung des Europaparlaments setzen. Er war weit genug linksorientiert, um als Kommunist zu überzeugen.«
»Das klingt nicht gerade nach einem Spionageauftrag mit höchster Priorität«, entgegnete Paul Hjelm.
»Das war es auch nicht«, erwiderte Lloyd und schüttelte den Kopf. »Eher eine Art Belohnung für lange treue Dienste. Aber Sie sagten, dass Sie noch eine dritte Frage hätten ...?«
»Das stimmt«, antwortete Hjelm zögerlich. »Obwohl ich gerade überlege, ob es wirklich so klug ist, sie zu stellen.«
Brent Lloyd sah Paul Hjelm mit einem gewissen Erstaunen an.
»Es ist natürlich besser, die Frage zu stellen, und sie wird dann eventuell für nicht zulässig erklärt, als sie gar nicht zu stellen«, meinte er. »Auf diese Weise gibt es zumindest keine unausgesprochenen Dinge zwischen uns.«
»Das Risiko wollen wir natürlich nicht eingehen«, erwiderte Hjelm neutral.
»Wie lautet also Ihre dritte Frage?«
»Welchen Auftrag hat Roman Vacek in seiner Zeit in Baltimore für die NATO ausgeführt?«
Wie auf Bestellung brummte es in Lloyds Hosentasche. Erneut zog er sein Handy hervor und warf einen Blick aufs Display.
»In diesem Punkt können wir Europol nicht weiterhelfen«, antwortete Lloyd ruhig.
»Sie haben ihn und einen Neurologen namens Andrew Hamilton III. in den Siebziger- und Achtzigerjahren mehrfach verpflichtet«, sagte Hjelm beharrlich.
»Das ist so lange her, dass es außerhalb meines Zuständigkeitsbereiches liegt«, entgegnete Lloyd. »Ich kenne keine derartige Sektion.«
»Sektion?«, fragte Hjelm.
»Wir kennen diese Abteilung nicht«, erklärte Admiral Brent Lloyd und stand auf. »Und jetzt müssen wir uns bis auf Weiteres voneinander verabschieden. Der Arbeitstag nimmt seinen Lauf.«
»Heute ist Samstag«, entgegnete Paul Hjelm.
Lloyd ignorierte den Einwand knallhart, verabschiedete sich und verschwand durch eine Seitentür.
Während Paul Hjelm mithilfe seiner Karte den Rückweg durchs Hauptquartier der NATO in Brüssel antrat, dachte er, dass er zwar vielleicht keinen hundertprozentigen Sieg errungen hatte, es aber dennoch besser gelaufen war, als er zu hoffen gewagt hatte.
Dann dachte er: Sektion.
Und damit nahm der Arbeitstag seinen Lauf.
Götgatan-Blues
Den Haag, 29. Mai
Paul Hjelm fühlte sich ein wenig matt, als er in die offene Bürolandschaft trat und die wenigen Anwesenden erblickte. Söderstedt war mit einem frisch operierten Viktor Larsson auf dem Weg von Nowosibirsk nach Stockholm, Navarro befand sich noch in Baltimore, Sifakis in Prag, Beyer und Bouhaddi in Straßburg und Kowalewski in einem Archiv für Ahnenforschung in Amsterdam. Blieben lediglich Miriam Hershey und Laima Balodis, doch Hjelm hatte
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