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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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scheint, als würde er erst jetzt bemerken, dass sie geknebelt ist. Mit einem Ruck reißt er das Handtuch von ihrem Mund und entfernt den Lappen. »Irgendwie eklig«, murmelt er und wirft das Tuch beiseite.
    Sie atmet tief ein. Es klingt, als würde eine Luftmatratze aufgepumpt.
    Er beugt sich über sie, dabei stützt er sich mit den Händen zu beiden Seiten ihres Kopfs ab. »Das brauchen wir auch nicht mehr, oder?« Behutsam beginnt er, das Klebeband an ihrer Stirn zu lösen.
    Martha liegt reglos unter ihm, als wäre sie aus Plastik. Nur ihre Brust hebt und senkt sich ein wenig, ein Zeichen, dass sie noch am Leben ist.
    »Eigentlich«, sagt er und reißt das erste Pflaster ab, »war Udo ganz okay. Ich hab ihm sogar Musik vorgespielt, die Bloodhound Gang. Scheißmusik, aber er hat total drauf gestanden. Entschuldige, das ziept bestimmt ein bisschen.«
    RATSCH!
    Das zweite Klebeband ist ab.
    Sie versucht zu zwinkern. Es gelingt ihr nicht, die Augen sind völlig verklebt. Die Hornhaut ist trübe, milchigweiß, Adern sind geplatzt, in den Augenwinkeln haben sich eitrige Geschwüre gebildet.
    »Burn motherfucker, burn« , singt Max leise. »Das fand ich passend. Udo hat’s bestimmt nicht kapiert, blöd, wie er war.«
    Er richtet sich auf und hockt sich im Schneidersitz neben sie.
    »Besser?«, fragt er.
    Keine Reaktion.
    »Ich verstehe ja, dass du sauer bist. Aber du musst jetzt nicht die beleidigte Leberwurst spielen.«
    Martha liegt weiter still da. Ihre Hand zuckt. Kurz, den Bruchteil einer Sekunde nur, wie eine aufgespießte Spinne im Todeskampf.
    »Mit Eric war es anders.«
    Sie atmet scharf ein.
    Max schlägt sich an die Stirn. »Ach, ich Blödmann, das weißt du ja noch gar nicht. Eric ist auch tot.«
    Sie verkrampft sich, als hätte sie einen Tritt in den Magen bekommen. Dann stößt sie ein hohes, klagendes Wimmern aus.
    »Weißt du, es war total einfach. Ich hab dein Handy genommen und ihm eine Nachricht geschickt, hab geschrieben, dass er auf die Burg kommen soll. Er hat gedacht, du würdest dort auf ihn warten. Eigentlich hatte ich gar keinen Plan, aber er war so nett und hat sich direkt an die Mauer gestellt. Ich musste ihm nur einen kleinen Stoß geben, der Rest ging von allein.«
    Sie öffnet den Mund, als wolle sie etwas sagen. Ihre Lippen sind aufgesprungen und rissig. Der Laut, den sie ausstößt, klingt, als würde eine alte Schublade geöffnet.
    »Er war dein Bruder, klar, aber er war ein Arsch«, sagt Max trotzig. »Er hat mich nie ernst genommen. Ich hab ihm erzählt, dass ich dich mag. Weißt du, was er gemacht hat? Er hat mich ausgelacht, dieses Dreckschwein. Er hat gesagt, dass du dich niemals mit mir abgeben würdest. Dass ich eine verdammte Schwuchtel wäre! Kannst du dir das vorstellen? Ich und eine Schwuchtel?«
    Max spuckt auf den Boden, dann wischt er sich mit dem Handrücken über den Mund. Der Lippenstift verteilt sich über sein Gesicht. Er überlegt einen Moment.
    »Hast du mit Eric eigentlich auch gevögelt?«
    Sie bewegt den Kopf ein wenig zur Seite.
    »Nein? Und was ist mit diesem Kommissar?« Seine Stimme wird schrill. »Der Typ hat dir gefallen, das weiß ich. Sonst wärst du auch nicht zu ihm gegangen, mitten in der Nacht. Du hast gemerkt, dass du verfolgt wirst, oder? Du hattest Angst, weil du nicht wusstest, wer hinter dir her ist. Na gut, woher solltest du auch wissen, dass ich es war?«
    Er hebt eine Schraube vom Boden auf und beginnt sich die Fingernägel zu säubern.
    »Zorn hat dich weggeschickt, stimmt’s?«, fährt er leise fort. »Ich würde dich niemals wegschicken, Martha. Niemals.«
    Max hebt die Hand und betrachtet seine Finger. Mit einem Klirren fällt die Schraube zu Boden. »Ich weiß nicht, vielleicht sollte ich mir diesen Bullen noch vornehmen. Er hat dir nicht geholfen. Findest du nicht, dass er bestraft werden muss?«
    Draußen, weit entfernt, ist eine Sirene zu hören.
    »Mal sehen, vielleicht tu ich’s ja noch.« Max schweigt einen Moment, als würde er seinen eigenen Worten nachlauschen. »Es ist gut, dass ich das alles mal erzählen konnte«, sagt er dann. »Ich hab ja niemanden, mit dem ich reden kann. Jeder würde doch denken, ich wäre völlig durchgeknallt. Aber das bin ich nicht!«
    Sie versucht, die Augenlider zu senken. Es funktioniert, ein paar Millimeter nur, aber es geht. Es tut fürchterlich weh, als wäre Schleifpapier auf ihren Pupillen.
    »Ich bin froh, dass du mich verstehst, Martha. Du bist die Einzige, der ich vertraue. Das warst du

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