zorneskalt: Thriller (German Edition)
dass sie nicht weiterredete. Dass Schluss mit dem Unsinn war. Und mein Blick wurde glasig, weil ich sie auszublenden versuchte, während meine Gedanken sich dir zuwandten, Clara. Meine älteste Freundin, so clever, so verschlagen, wer hätte das gedacht? Nicht ich. Die Frustration darüber, dass du mich reingelegt hattest, war schlimm genug, aber das Wissen, dass niemand meine Version der Ereignisse, die Wahrheit, glauben würde, gab mir den Rest.
Sie behaupten also, Miss Walsh, dass Ihre Freundin ihr eigenes Verschwinden vorgetäuscht hat, um Sie in Schwierigkeiten zu bringen? Und welche Beweise können Sie dafür vorbringen?
Die Demütigung, überhaupt nichts beweisen zu können, wäre unerträglich gewesen.
Das Feuer in meinem Kopf loderte wieder auf, und mein Magen war noch immer verkrampft vor Wut. Diese Wut war lange in meinem Innersten abgekapselt gewesen, aber du hattest sie wieder freigesetzt.
Als DS Tomey endlich verstummte, sah ich zu DCI Gunn hinüber, der ein Blatt A4-Papier aus seinem Ordner zog. Er legte es DS Tomey hin, und dann sah er mich an, zum zweiten Mal, seit er den Vernehmungsraum betreten hatte.
DS Tomey schob das Blatt vor, sodass ich es sehen konnte. Es war ein Ausdruck, anscheinend ein weiteres Standbild einer Überwachungskamera, das vermutlich Jonny und dich zeigte. Ich hörte sie sagen: » Sie haben Clara am Freitagabend nicht gesehen. Aber Sie sind offenbar von ihr gesehen worden.« Dann schob sie mir den Ausdruck über den Tisch. » Diese Aufnahme ist auf der Promenade gemacht worden«, sagte sie und lächelte triumphierend.
Ich sah mir das Bild an. Deine Hand war erhoben, als winktest du jemandem zu. Weit vor dir, am äußersten Bildrand, war eine weitere Gestalt zu erkennen, aber mein Gehirn hatte Schwierigkeiten, die Informationen zu verarbeiten, die der Sehnerv ihm übermittelte.
DS Tomey legte einen weiteren Ausdruck auf das Bild vor mir. Er war körniger, eine Vergrößerung der Gestalt am Bildrand, etwa hundert Meter von dir entfernt. » Um jeglichen Zweifel auszuräumen«, sagte sie dabei.
Das war ich.
Dir so nahe, fast zum Greifen nahe.
Ich bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut. Meine Zähne begannen unkontrollierbar zu klappern. Ich spürte, wie mir das Blut in den Adern gefror, und fuhr zusammen, als Eis durch meine Arterien gepumpt wurde. Ich hörte Kirstin etwas sagen, konnte es aber nicht verstehen. Mein Blick fixierte das Tonbandgerät vor mir, dessen rote Kontrollleuchte die Aufnahme alles Gesagten anzeigte. Und darüber an der Wand die Kamera, die jede Bewegung, jede Geste von einem Augenzucken bis zu meinem Erröten aufzeichnete. So entstanden die Vernehmungsbilder, die von der Polizei veröffentlicht wurden, wenn ein Strafprozess mit einem Schuldspruch endete. Sie zeigten, wie Mörder vernommen wurden, allzu oft die Aussage verweigerten, bei peinlichen Fragen ins Schwitzen gerieten oder einfach zu blasiert wirkten. Aus dieser Maschinerie gab es kein Entrinnen. Ich fühlte mich schwindlig, hatte den Geschmack von Galle im Mund. Und vor mir erschien in grausiger HD -Farbigkeit ein Bild dessen, was passierte, wenn meinen Worten nicht geglaubt, meine Version der Ereignisse nicht akzeptiert würde. Das war kein Leben, Clara, es war ein Urteil, das von hier unabsehbar weit in die Zukunft reichte.
Wie ich bereits gesagt habe, ist die Wahrheit subjektiv. Sie ist nie absolut. Meine Wahrheit und ihre Wahrheit. Zwei gegen eine.
Gunns Stimme, verzerrt, dröhnend laut, brach das Schweigen. Diesmal wich er meinem Blick nicht aus. Und ich konnte seinem Starren nicht entkommen.
» Sie waren ihr so nahe, Rachel, und wollen sie trotzdem nicht gesehen haben. Und sie winkt. Wem wird sie wohl zugewinkt haben? Ihrer besten Freundin, die sie gerade mit ihrem eigenen Freund gesehen hat. Wirkt sie deshalb so besorgt? Sie ruft Sie zurück, um alles zu erklären. Sie haben sie gehört, nicht wahr? Sie haben die beiden zusammen gesehen. Der Mann, den Sie liebten, und Ihre beste Freundin, die im Begriff war, Ihnen alles wegzunehmen. Wie war Ihnen dabei zumute, Rachel? W as h aben Sie getan, Rachel? Was haben Sie ihr angetan?«
Hast du jemals geträumt, Clara, dass nichts zu hören ist, obwohl du sprichst? Und dann versuchst du zu schreien, aber auch das kannst du nicht? Du bist in Gefahr. Du brauchst deine Stimme, du bist darauf angewiesen, dass dein Schrei gehört wird, und strengst deine Stimmbänder bis zum Äußersten an, aber du bringst nur Schweigen heraus. Beängstigende,
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