Zu Hause in Almanya
Forderung, dass Ausländer »sich integrieren« sollten und merkt nicht, dass das so im Grunde unmöglich ist beziehungsweise dass damit etwas ganz anderes gemeint ist als das, was Integration an sich bedeutet.
Der Neue soll sich an die anderen anpassen. Aber wie sehr? So sehr, dass er möglichst unauffällig ist und sich nicht mehr von den anderen unterscheidet? Wenn alle in der Gruppe die gleiche Kleidung tragen, dann sollte das der Neue sicherlich auch tun. Das ist sinnvoll, zum Beispiel in einer Fußballmannschaft während des Training und natürlich beim Spiel. Aber sonst? Und was ist, wenn alle unterschiedliche Kleidung tragen – nach wem muss sich der Neue dann richten? Darf er einen eigenen Geschmack haben und etwas völlig anderes tragen? Oder muss er seine eigenen Gewohnheiten ablegen und jeden Handgriff so tun wie alle anderen? Wie weit muss diese Gleichheit gehen? Wenn er sich die gleichen Klamotten angeschafft hat und die gleichen Schuhe trägt, muss er auch das gleiche Essen essen, die gleichen Dinge mögen und sich am Ende auch die Haare in der gleichen Farbe färben? Die wichtigste Frage aber ist: Sind alle anderen wirklich alle gleich?
Diese Fragen muss man klären, wenn man über Integration spricht, und Staaten, die bekannt für eine offenere Intergrationspolitik sind wie etwa die USA, gehen mit diesen Fragen der Gleichheit lockerer um. Sie gestehen den Einzelnen viel Freiraum zu und akzeptieren sie trotzdem als zur Gruppe gehörig. Mehr noch, sie sehen die Unterschiede sogar als Gewinn. In England gibt es zum Beispiel Polizisten, die Turbane oder Kopftücher tragen, weil sie eingewanderte Sikhs oder Muslime sind, in Deutschland ist das nicht möglich.
Es gibt weltweit etwa 150 Millionen Menschen, die ausgewandert sind oder dabei sind, dies zu tun, und die nicht mehr in dem Land leben, in dem sie geboren wurden. Es gibt praktisch kein Land auf der Erde, das keine Einwanderer aufnimmt (mit Ausnahme einiger kleiner, restriktiver Staaten). Im Gegenteil: Fast jedes Land braucht Einwanderer, vor allem die europäischen Länder, in denen die Geburtenzahlen seit Jahren stagnieren oder sogar rückläufig sind. Je besser es den Ländern wirtschaftlich geht, desto mehr Menschen fühlen sich zu ihnen hingezogen, um dort ihr Glück zu versuchen. In Länder wie den USA oder Kanada, die einen hohen Lebensstandard bieten und viele Möglichkeiten, sein Glück zu finden, zieht es vor allem die Wohlhabenden und Erfolgreichen – so wie manche unserer deutschen Schauspieler, Talkmaster oder Sportler. Andere Länder, wie Frankreich oder Deutschland, stehen nicht unbedingt in dem Ruf, dass das Leben dort besonders schillernd sei und man als Fremder sehr willkommen wäre. Trotzdem ziehen auch sie viele Menschen an, nur weniger die Reichen und Berühmten als vielmehr jene, denen es meist nicht so gutgeht und die nicht viele Alternativen im Leben haben.
Allein in den vergangenen Jahrhunderten sind fast fünf Millionen Deutsche nach Amerika ausgewandert, und noch heute lassen sich jedes Jahr Zigtausende Deutsche in Ländern wie Spanien, Italien oder der Türkei nieder, meistens dort, wo die Sonne und die Strände am schönsten sind. Auch sie müssen von den Ländern und den Menschen dort aufgenommen und integriert werden. Es wäre unerträglich für sie, wenn die Einheimischen ihnen ständig zeigen würden, dass sie sie nicht bei sich haben wollen. Doch wer glaubt, alle Deutschen würden sich als Auswanderer in anderen Ländern tadellos und unauffällig benehmen, sofort die Landessprache erlernen und völlig in der dortigen Kultur aufgehen, der irrt sich gründlich. Viele Deutsche in Amerika zum Beispiel pflegen noch heute Bräuche, feiern Oktoberfest und tragen Dirndl.
Man braucht sich nur die Auswanderersendungen im Fernsehen anzuschauen, um zu erkennen, dass dies wohl eine reine Wunschvorstellung ist. Hier kann man mit eigenen Augen sehen, wie deutsche Auswanderer häufig nicht einmal die einfachsten Sätze auf Englisch beherrschen, wie sie darauf bestehen, dass ihre Kinder in der Fremde ihr Deutsch nicht verlernen oder sehnsüchtig in den Restaurants der Stadt Schweinshaxen suchen. In der Türkei zum Beispiel sind die Villensiedlungen der deutschen Rentner berühmt-berüchtigt, in denen sie dort in kleinen deutschen Enklaven leben, wo sie ihren deutschen Metzger und deutschen Bäcker haben und ganz unter sich sind, etwa so, wie man es den Türken in Deutschland allgemein vorhält.
Vieles sieht nun einmal ganz
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