Zu keinem ein Wort
mich.
Cilly (15) in ihrer neuen Uniform als Schülerin der Säuglings- und Kinderpflege im Sommer 1941.
Gleich gegenüber der Crèche lag die Schouwburg , ein imposanter Bau, der vor dem Krieg als Theater benutzt worden war. Es hieà damals Hollandsche Schouwburg . Ab 1940 durfte es nur noch von Juden benutzt werden und wurde in Joodse Schouwburg umbenannt. Noch deutete nichts darauf hin, dass dieses Haus von den Nazis bald für ganz andere Zwecke missbraucht werden würde.
ABGEHOLT
In der Schouwburg hatte man vor dem Krieg viel gelacht: Beinah jeden Abend gab es dort Kabarettprogramme, Chorabende und Theateraufführungen. Inzwischen sorgten die deutschen Besatzer dafür, dass jüdische Menschen auch in den Niederlanden Tag für Tag immer weniger zu lachen hatten. Am 10. Dezember 1941 wurden so genannte âºAnordnungenâ¹ erlassen, nach denen es Juden ab sofort verboten war, öffentliche Parks und Tiergärten, Restaurants und Hotels, Kinos und Theater, Sportanlagen, Büchereien und Museen zu betreten. AuÃerdem durften wir ab sofort keine Stra Ãenbahnen mehr benutzen. Wer sich nicht daran hielt, riskierte eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten. Zum Jahresende durften plötzlich auch die nichtjüdischen Kolleginnen nicht mehr mit uns in der Crèche zusammenarbeiten und mussten von einem auf den anderen Tag das Haus verlassen.
»Genau wie damals in Frankfurt«, sagte ich zu Suzy und dachte dabei an Lisa, die meine schwarze Puppe repariert hatte und später ebenfalls nicht mehr bei uns bleiben durfte.
Die Direktorin der Crèche , Henriette Pimentel, 10
war Ende Fünfzig, eine kleine, drahtige Person, die immer voller Energie steckte, und zum Glück nicht solche Launen hatte, wie ich es von Juffrouw Frank aus dem Heim kannte. Jeder mochte die Directrice , wie sie von allen angesprochen wurde, und ihren kleinen Hund Brunie. Es war ihr anzumerken, wie sehr sie die Kleinen ins Herz geschlossen hatte. Zu Rosa und mir sagte sie: »Ihr seid wirklich tüchtige Mädchen!« Darüber freuten wir uns sehr. Solche Freundlichkeit waren wir vom Heim her nicht gewöhnt.
Anfang 1942 besuchten wir nach längerer Zeit mal wieder Tante Meta in ihrer kleinen Wohnung in der Keizersgracht. In den StraÃen wehte ein eisiger Wind und es sah aus, als würden die Grachten diesen Winter noch zufrieren. Wie immer hatte die Tante Gebäck für uns auf den runden Tisch gestellt und Tee gekocht, den sie in einer kleinen Silberkanne servierte, die sie noch immer nicht verkauft hatte. Erst als wir in der Wohnung waren und unsere Mäntel aufgehängt hatten, merkten wir, wie kalt es darin war.
»Wegen des Krieges kommt schon lange keine Post mehr von meinem Sohn aus Amerika«, erklärte sie und schlug sich den Schal enger um die Schultern. »Ich habe nicht immer genug zum Heizen, aber zum Glück noch Gas, um meinen Tee zu kochen.«
Jutta und ich schauten uns besorgt an. Wahrscheinlich hatte sie sich die Kekse für uns vom Mund abgespart. Als wir nur zögernd zugriffen, schimpfte sie mit gespielter Strenge: »Sagt bloÃ, ihr mögt mein Gebäck nicht mehr! Esst, die Kekse sind nur für euch!« Dabei lachte sie und nippte an ihrem Tee.
Mir fiel auf, dass ihre Hände zitterten. »Hast du genug Medikamente, Tante Meta?«, fragte ich sie direkt.
Aber sie wehrte ab und gab keine eindeutige Antwort: »Ach, die Medikamente! Die helfen mal und mal helfen sie nicht. Ich werde eben langsam alt und klapprig. Eigentlich sind es nur meine Beine, die mich nicht mehr so gut tragen wollen.«
Tante Metas FüÃe waren so geschwollen, dass ich mir kaum vorstellen konnte, wie sie überhaupt noch irgendwelche Schuhe anziehen konnte. Den Rest des Nachmittags sprachen wir wie meistens viel über früher, über das Leben in Frankfurt und wie sie aufgewachsen war als umsorgte Tochter in der wohlhabenden Familie Oppenheimer. »Und Schokoladenkuchen gab es bei uns sogar in der Woche, so viel du wolltest!«, beschwor sie alte Erinnerungen herauf. Und ohne sich um die Gegenwart zu kümmern, fügte sie beinah verschmitzt hinzu: »War aber auch nicht gut, eigentlich. Ich bin mit zwölf Jahren schon viel zu dick gewesen. Das ist auch nicht immer lustig für ein Mädchen in dem Alter, wenn die anderen sie âºFettkloÃâ¹ nennen.« Dabei schlug sie auf die abgeschabte Lehne ihres Sessels und lachte, als sei sie froh,
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