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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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Miss Isabelle sich im Bad umgezogen hatte und
mit Nachthemd und Morgenmantel bekleidet wieder herauskam. Sobald sie auf einem
der Sessel saß, eins der Rätselhefte vor sich und die Fernbedienung für den
Fernseher in der Hand, sagte ich: »Ich geh noch mal kurz raus, ein paar Anrufe
erledigen, Miss Isabelle. Brauchen Sie irgendwas?«
    Â»Nein, ich habe alles. Du musst nicht den Babysitter spielen. Geh
ruhig. Und Dorrie?« Erst jetzt bemerkte ich ihre Erschöpfung, die neuen Falten
in ihrem Gesicht. »Danke. Das würde ich ohne dich nicht schaffen. Du bist …
sicher eine gute Tochter.« Beim letzten Wort fing ihre Stimme zu zittern an.
    Voller Mitgefühl sah ich sie an, weil ich ahnte, dass das, was uns
am Ende dieser Reise erwartete, anstrengender werden würde, als ich angenommen
hatte. Ich holte Zigaretten und Feuerzeug aus meiner Handtasche und steckte
beides verstohlen in die Hosentasche. Seit unserem Aufbruch hatte ich keine
Einzige mehr geraucht. Und war gar nicht so nervös wie befürchtet. Ich hatte
schon mindestens dreißigmal versucht aufzuhören und rauchte an den meisten
Tagen nur drei Stück. Im Wagen war ich abgelenkt, und in den Essens- und
Toilettenpausen wollte ich nicht rauchen. Einen Tag würde ich schon mal ohne
Mittagszigarette auskommen. Ich hielt mein Handy hoch, damit Miss Isabelle
glaubte, ich hätte das in meiner Tasche gesucht.
    Â»Ich weiß, dass du rauchst, Dorrie.«
    Erwischt.
    Â»Du musst es nicht heimlich machen. Ich rieche den Rauch an deinen
Fingern, wenn du mich frisierst. Keine Sorge, das stört mich nicht. Erinnert
mich an die alten Zeiten, als noch überall geraucht wurde.«
    Â»Ich will aufhören«, sagte ich auf dem Weg zur Tür. Das hatte ich
mir bei dem schlechten Beispiel meiner Mutter und ihrer Typen geschworen. Meine
Mutter war süchtig nach den Sauerstoffflaschen von der Klinik, aber sie rauchte
weiter, als wäre der Sauerstoff eher ein Genuss als eine Notwendigkeit.
    Ich hasste mich selbst, wenn ich mir eine Zigarette anzündete,
schaffte es jedoch nicht, es sein zu lassen. Angefangen hatte alles in der
Ausbildung mit einer oder zwei am Tag, heimlich hinter dem Schulgebäude. Die
Lehrer drückten ein Auge zu, weil sie wussten, dass das Rauchen in unserem
späteren Beruf dazugehörte. Wahrscheinlich beteten sie, dass es beim Rauchen
blieb. Oft verdienten Friseurinnen und Kosmetikerinnen sich ein Zubrot als
Stripperinnen. Und von da war es zur Prostitution und zu harten Drogen –
Kokain, Heroin und am Ende Crack – nicht weit. Viele meiner alten Freundinnen
aus dem Kurs lebten nur noch von einem Schuss zum nächsten und vegetierten in
Sozialwohnungen im schlechtesten Viertel der Stadt vor sich hin.
    Ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich bloß rauchte und mir
meinen Lebensunterhalt verdienen konnte.
    Obwohl Miss Isabelle mich nicht kritisiert hatte, erschien mir die
Raucherei plötzlich wie eine Verschwendung von Geld und Energie. Ich konnte
kaum glauben, dass sie selbst einmal geraucht hatte, denn ihre Haut war
seidenweich, und ihre Haare fühlten sich für ihr Alter dicht und gesund an.
    Ob Teague ebenfalls schon bemerkt hatte, dass ich rauchte? Allzu
nahe hatte ich ihn noch nicht an mich herangelassen, aber wir waren immerhin
ein paarmal miteinander im Kino gewesen, wo er meine Hand gehalten hatte. War
ihm der Geruch in die Nase gestiegen, als er hinterher daran geschnuppert
hatte? Wenn ja, wusste er Bescheid. Ich hielt die Zigarette immer weit vom
Körper weg, aber natürlich blieb der Tabakgeruch an meinen Handflächen und
Fingerspitzen haften. Und selbstverständlich war es Miss Isabelle, die mich
nach all den Jahren darauf aufmerksam machte.
    Ich hatte mir eingeredet, dass ich mit dem Rauchen aufhören würde,
bevor Teague es merkte – falls das mit uns überhaupt so lang andauerte. Jetzt
war ich fest entschlossen. Dabei ging es mir nicht nur um Teague. Ich wollte
nicht, dass meine Kinder später mit ansehen mussten, wie ich um Luft rang wie
meine Mutter. Wenn ich jetzt aufhörte, könnte ich mich ihnen gegenüber noch
aufs hohe Ross setzen. Nicht, dass ich glaubte, mein Sohn hätte nie geraucht …
Allerdings hatte er im Moment schwerwiegendere Probleme als Zigaretten.
    Ich hielt das Päckchen an die Nase, atmete das bittersüße Tabakaroma
ein, zählte bis fünf und warf die fast leere Packung in den Abfalleimer vor

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