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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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überzeugend zu zeigen und sank, anstatt zur Seite meiner heimgekehrten Frau, auf dem zerknitterten Überwurf der Couch in den verbleibenden Rest der Nacht.
    *
    So muss es einem Arbeiter im Straßenbau gehen, war mein erster Gedanke, einem, der den ganzen Tag auf dampfend heißem Asphalt an der Rüttelplatte steht, ständig rhythmisch gebeutelt und erst dann aus seinem über die Jahre antrainierten Gleichmut zu bringen, wenn es ihn ganz plötzlich und so richtig herreißt. Wie etwa durch jene kräftigen und doch zarten Hände, die mich an den Schultern aus meinem Tiefschlafbauarbeitertum schüttelten. In Rosas Augen und Mimik lag von allem etwas: Güte, Sorge, Traurigkeit, aber auch ein Funke hoffnungsvoller Zuversicht.
    „Ich bin froh, dass wir wieder da sind. Dass ich wieder da bin, Ferri“, sagte sie. Ich versuchte etwas zu erwidern, doch sie legte mir den Finger über den Mund. „Wir müssen über vieles reden. Vorher brauchst du allerdings eine Dusche, eine Zahnbürste und einen starken Kaffee. Und alle Kraft. Auch meine.“ Rosa stand auf, nahm die aufgeschlagene Gute vom Couchtisch, drückte sie mir in die Hand und ging in Richtung Küche. „Zuallererst solltest du aber das hier lesen. Kannst du mir sagen, was das zu bedeuten hat?“
    Ich nahm die Zeitung, und mit jeder Zeile verspannten sich alle Muskeln in mir und mein Oberkörper richtete sich wie von selbst weiter und weiter auf, bis er völlig aufrecht und starr war. Starr wie mein Entsetzen auch.
    Brief aus dem Jenseits
    Ich darf mich den allgemeinen Gratulationen anschließen: Herzlichen und aufrichtigen Glückwunsch, Herr Oberstleutnant, pardon: Oberst Ferdinand Leimböck. Sie sind für biedere, aber beharrliche Polizeiarbeit und armseligen Kriminalinstinkt zu Recht ausgezeichnet worden. Zwar haben Sie den Fall nicht geklärt – vielmehr wurde er trotz Ihnen aufgeklärt. Durch meine Hilfe! Mich wird man höchstens damit ehren, dass man mich in einer kalten Erdgrube versenkt. Aber was soll’s.
    Bevor ich jedoch endgültig abtrete, möchte ich einiges hier zurücklassen, das der Öffentlichkeit bisher vorenthalten worden ist und vielleicht die Antwort auf viele Eurer Fragen sein könnte:
    Warum gerade die Landesmutter? Ganz einfach, weil sie da war. Ja, richtig. Freilich gäbe es genügend politische Sünden, die sie als Opfer qualifizieren würden, bloß – das war es nicht. Sie war die Hauptdarstellerin in meinem letzten Akt. Gemeinsam mit mir, natürlich. Ein Stück, das längst geschrieben war. Jeder hatte seine Rolle, ihre war jene des Opfers. Sie hat sie brillant gespielt. Brillant. Und deshalb war auch das Beste gerade gut genug für sie. Ein erlesenes Jagdgewehr für den Jäger und die Gejagte. Marke Blaser, Modell Baronesse. Baronesse – ist das nicht wunderbar? Eine Baronesse erlegt die Fürstin. Eine Baronesse mit achtkantigem Kipplauf, einschüssig, mit hoher Präzision, etwas für Profis, denen eine einzige Kugel genügt. Dazu elegante Linienführung, das vordere Schaftende aus Ebenholz, ein goldfarbener Abzug, der Verschlussblock mit Titan beschichtet. Und ein Hohlspitzprojektil der allerbesten Güte. Wie gesagt, das Beste ist gerade gut genug. Waffenadel verpflichtet. Sie werden sie inzwischen wohl gefunden haben, die Waffe, oder etwa nicht, Oberstleutnant, pardon: Oberst Leimböck?
    Oberst Leimböck bekam den Part des Ermittlers zugeteilt. Auch er hat ihn blendend verkörpert, mich bis an den Fuß des Jungfernsprunges verfolgt und dort gestellt. Ich habe mich – wie sagt man doch? – widerstandslos ergeben. Flüchten hätte ich mit diesem zerschmetterten Körper nicht mehr können. Ich nehme es Ihnen nicht übel, im Gegenteil, ich will Sie sogar mit einigen Geheimnissen belohnen. Fakten, die Ihren unbeholfenen Ermittlungsversuchen entwischt sind. Wussten Sie etwa, dass ich dem geschätzten Stadtrat Frank Klausberger saftig in die Eier getreten habe? Natürlich nachdem er nicht mehr unter den Lebenden war. Sonst hätte er sich ja wehren können. Und dass ich das Sushi-Messer dem Koch im Tokio gestohlen habe? Ich habe es so sehr geschärft, dass ich mir damit nach dem Genuss zweier Flaschen Absolut selbst den Daumen abgeschnitten habe. Tut verteufelt weh, aber es ist der Schmerz, der einem ständig bewusst macht, dass man noch lebt.
    Natürlich, ich habe gelebt. Nicht schlecht sogar. Das verbale Dreckschleudern war ein einträgliches Geschäft. Eine lokale Berühmtheit war ich. Aber eben nur eine lokale. Kein Hahn hätte nach

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