Zuckersueßes Chaos
würde ich einige Zeit beschäftigt sein. Während die kleinen Törtchen vor sich hin backten, bereitete ich die verschiedenen Cremesorten zu, um sie anschließend im Kühlschrank kaltzustellen. Als fünfundzwanzig Minuten später die ersten Cupcakes fertig waren, füllte ich die Formen erneut auf und schob sie wieder in den Ofen. Ich ließ den fertigen Teig etwa zwanzig Minute auskühlen und holte dann die kaltgestellte Creme aus dem Kühler. Und nachdem ich meinen Rhythmus gefunden hatte und an nichts anders mehr als Sahne, Teig und Puderzucker denken konnte, entspannte ich mich endlich. Cupcakes zu backen, war wirklich wie Medizin für mich und erlaubte mir, meine Sorgen für kurze Zeit zu vergessen. Ich war gerade dabei, den Törtchen das berühmte Sahnehäubchen aufzusetzen, als ich Schlüssel vor der Tür klappern hörte. Das Blut gefror mir in den Adern.
»Oh nein«, flüsterte ich und stürzte in Richtung Treppe davon. Vicky kam montags nie vor 16 Uhr nach Hause, was bedeutete, dass das nur eine Person sein konnte. Mir hätte klar sein müssen, dass, egal wo ich mich auch versteckte, Jason wissen würde, dass ich zu Hause war. Die Cupcakes würden mich verraten, doch ich konnte im Augenblick nicht klar denken und wollte nur weg von ihm. Ich sprintete so übereilig die Treppe hinauf, dass ich falsch auftrat und auf der vorletzten Stufe stolperte.
Und als mein Knie hart gegen die Treppe schlug, wurde mir schlecht vor Schmerzen, dennoch zwang ich mich weiter und schaffte es schließlich, ins Bad zu humpeln. Meine Tür schlug gleichzeitig mit der Wohnungstür zu.
»Claire?«, hörte ich Jason aus dem Eingangsbereich her rufen. Mist. Mist. Mist. Warum musste er ausgerechnet heute früher nach Hause kommen? Ich krempelte meine Hose hoch, um mir den Schaden anzusehen und versuchte gleichzeitig, meine Tränen wegzuwischen, doch ich hatte mich so doll gestoßen, dass ich nicht aufhören konnte zu weinen. Mein rechtes Knie hatte einen hübschen blauen Fleck und blutete etwas. Als ich die Wunde allerdings mit Toilettenpapier abtupfen wollte, explodierten kleine schwarze Pünktchen vor meinen Augen, so sehr tat es weh. Immer noch weinend und mit zitternden Händen kramte ich den Sanitätskasten aus dem Schrank und hörte Jason die Stufen hinaufkommen. Vor dem Bad blieb er stehen.
»Warst du noch gar nicht in der Uni? Ich dachte, heute ist eine wichtige Lesung?«, fragte er durch die Tür. Woher wusste er das, verdammt? Konnte Vicky nicht einmal ihre Klappe halten?
»Ich bin auf dem Klo! Kannst du nicht warten, bis ich fertig bin?«, rief ich mit erstickter Stimme.
»Klar, ich … sag mal, weinst du?«, fragte er nach kurzem Zögern.
»Was? Nein!« rief ich erschrocken und wischte mir die Tränen weg – sie kamen immer wieder nach. Warum konnte ich nicht aufhören, zu flennen? Ich klebte ein großes Pflaster auf die Wunde und krempelte meine Hose vorsichtig runter, dann scheffelte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht.
»Okay. Aber dein Teig brennt an«, bemerkte er und ging davon. Ich hörte, wie er sich in sein Zimmer verzog und die Tür schloss, erst dann öffnete ich vorsichtig die Badezimmertür. So leise wie möglich, stahl ich mich die Treppe hinunter, doch entweder hatte Jason mir aufgelauert oder ich war nicht leise genug, denn plötzlich stand er am Treppenansatz.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er und kam runter.
»Ja, was soll sein?«, fragte ich, ohne mich umzudrehen und lief eilig zur Küche. Dabei musste ich meine gesamte Willensstärke aufbringen, um nicht bei jedem Schritt zu humpeln – was allerdings zur Folge hatte, dass sich neue Tränen aus meinen Augen stahlen. Innerlich fluchend öffnete ich den Ofen, um die Backformen herauszuholen.
»Warum bist du nicht zur Uni gegangen?«, fragte Jason erneut. Er war jetzt direkt hinter mir. »Ich hab einen Kater«, antwortete ich und verfluchte den brüchigen Klang meiner Stimme. Warum musste sie eigentlich immer so wackeln, als hätte man einen Zitteraal verschluckt, wenn man weinte? Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er sich an den Tresen lehnte und mich beobachtete.
»Aha und warum weinst du?«, fragte er mit ruhiger Stimme und es war genau diese Ruhe, die mich rasend machte. Warum war ich eigentlich so außer Fassung, wenn er so ruhig sein konnte?
»Tu ich doch gar nicht«, zischte ich und zog mir die Ofenhandschuhe über, immer darauf bedacht, ihm nicht das Gesicht zuzuwenden. Konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Er hatte ohnehin schon
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