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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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das Gleiche gilt für den damaligen Agrarminister Josef Ertl – ein ganz eigenartiger, eigenwilliger Vertreter der Interessen der Landwirtschaft, aber ein absolut geradliniger, zuverlässiger Mensch. Was den Döring angeht, muss ich eine kleine Geschichte erzählen. Während der fälschlich so genannten Spiegel -Affäre – in Wirklichkeit war es eine Strauß-Affäre, wo übrigens die Bundesanwaltschaft mich wegen angeblicher Beihilfe zum Landesverrat mit einem Verfahren überzogen hat – haben Döring und ich bisweilen miteinander telefoniert. Wenn Döring anrief und ich sagte, ja, was gibt es, dann sagte er: Helmut, ehe wir anfangen zu reden, wollen wir erst mal die kleinen Schweinchen begrüßen, die hier alle mithören. Werde ich nie vergessen. Hat übrigens mein Verhältnis zu den deutschen Geheimdiensten dauerhaft geprägt.
    Steinbrück:   Hat er von Schweinchen geredet?
    Schmidt:   Ja, Schweinchen.
    Steinbrück:   Wir haben die immer Schlapphüte genannt. – Aber noch mal zurück zu den Zweifeln. Da gibt es auf der einen Seite den Gestaltungsanspruch, den Anspruch an sich selbst, eine Sache jetzt durchzuziehen. Auf der anderen Seite wird man in die Pflicht genommen. Und aus beidem entwickelt sich dann die Vorstellung: Ja, mit Unterstützung von anderen und mit Rückenwind könntest du das hinkriegen. Aber die Betonung des Konjunktivs ist wichtig. Nicht »kannst du es hinkriegen«, sondern »könntest du es hinkriegen«. Wenn man diese Entscheidung einmal getroffen hat, dann allerdings gibt es kein Zaudern mehr, dann kann man nicht lauwarm antreten und abwarten, wie sich das alles entwickelt, sondern dann wird der Aggregat auf volle Kraft gestellt, dann will man sich durchsetzen und gewinnen. Das ist das, was mir nach einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk um die Ohren geflogen ist, als ich sagte: Wenn man sich entschieden hat, dann will man gewinnen.
    Schmidt:   Viele Leute denken, dass es vor allem darum geht, Rivalen wegzubeißen. Das ist, glaube ich, nicht richtig. In meinem Leben bin ich ein einziges Mal gegen einen sogenannten Rivalen angetreten – und das war ein Fehler. Es ging um ein Ehrenamt, um den Landesvorsitz in der hamburgischen SPD. Die hamburgische SPD hatte kurz vorher den ehrenwerten Ersten Bürgermeister der Stadt, Paul Nevermann, zum Rücktritt veranlasst, weil seine Ehe nicht gut funktionierte und weil da irgendwas war, was den ehrpusseligen Hamburgern nicht gefiel. Jetzt wollten sie das wiedergutmachen und wollten ihn zum Landesvorsitzenden ernennen. Ich habe dagegenkandidiert, und das war ein schwerer Fehler. Das war das einzige Mal, dass ich Rivalität erlebt habe. Später habe ich natürlich Franz Josef Strauß und Helmut Kohl als Rivalen empfunden. Und da galt, was Sie eben gesagt haben: Da wollte ich auch wirklich gewinnen.
    Steinbrück:   Haben Sie gegen Strauß einen anderen Wahlkampf geführt als gegen Kohl?
    Schmidt:   Strauß habe ich in höherem Maße respektiert als Kohl, das muss ich bekennen. Ihn habe ich auch intensiver bekämpft, aber das war notwendig. Was das Publikum gar nicht gemerkt hat, war, dass Strauß und Schmidt sich wohl dreimal privat getroffen haben. Er ging, wenn er mich besuchte, immer durch den Hintergarten des Bundespräsidenten und dann durch meinen Hintergarten; das hat keiner gemerkt. Die Begrüßungsformel war eigentlich immer dieselbe. Ich sagte zu ihm: Na, Sie alter Gauner, wie geht es Ihnen? Und er sagte zu mir: Na, Sie alter Lump. Dann haben wir uns eine Stunde oder anderthalb unterhalten. Er war ein ernstzunehmender Gegner, eine wirkliche politische Potenz, außerdem eine rhetorische Begabung sondergleichen, leider aber ohne ausreichende Selbstkontrolle. Das war seine entscheidende Schwäche.
    Steinbrück:   In meiner Zeit als Büroleiter bei Johannes Rau habe ich manchmal zusammen mit anderen versucht, den Chef gegen Strauß in Stellung zu bringen, wenn er zu den Aufsichtsratssitzungen der Lufthansa fuhr; damals hatten Nordrhein-Westfalen und Bayern noch Anteile bei der Lufthansa. Dann unterbrach uns Johannes Rau jedes Mal und sagte: Was glauben Sie denn, was da passiert? Da bin ich mit dem Strauß in einem Seitengespräch und rede mit ihm über Politik zum Nutzen des Landes. Das ist ein Vollblutpolitiker, mit dem ich darüber reden muss. Also versuchen Sie nicht, mich hier immer zu agitieren gegen den Strauß, ich kann das nicht mehr ab.
    Schmidt:   Stichwort Lufthansa. Ich war 1952/53 Verkehrsdezernent des

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