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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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bangte, das niemanden hatte als diese abscheuliche alte Frau, war ihr unerträglich. Wenn sie doch bloß ein wenig eher gekommen wäre! Aber was hätte sie dann schon ausrichten können? Und was konnte sie jetzt tun? Sie wusste es nicht, aber irgendetwas musste sie tun. Sie konnte Babys nicht leiden. Aber sie konnte einfach nicht Weggehen und dieses arme kleine Wesen bei Mrs Conover lassen, die sich gerade wieder die schwarze Flasche schnappte und wahrscheinlich stockbesoffen war, ehe irgendjemand kam.
    Ich kann aber nicht bleiben, dachte Rilla. Mr Crawford hat gesagt, ich muss unbedingt am Spätnachmittag zurück sein, weil er das Pony am Abend selber braucht. Was kann ich nur tun? Da fasste Rilla plötzlich einen spontanen Entschluss.
    »Ich werde das Baby mit nach Hause nehmen«, sagte sie. »Darf ich?«
    »Klar, wenn du willst«, sagte Mrs Conover liebenswürdig. »Hab nichts dagegen. Nimm es und leb wohl!«
    »Ich - ich kann es aber nicht tragen«, sagte Rilla. »Ich muss doch das Pferd lenken und dann lasse ich es womöglich fallen. Gibt es - gibt es einen Korb irgendwo, wo ich es hineinlegen kann?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Hier gibt’s kaum was, sag ich dir. Min war arm und genauso faul wie Jim. Mach mal die Schublade da drüben auf, da sind ein paar Babysachen drin. Am besten nimmst du alles mit.«
    Rilla nahm die Sachen heraus - ein paar ärmliche Kleidungsstücke, die seine arme Mutter wohl noch bereitgelegt hatte. Aber das löste nicht das dringende Transportproblem. Rilla sah sich hilflos um. Wenn doch nur Mutter da gewesen wäre! Oder Susan! Da fiel Rillas Blick auf eine gewaltige blaue Suppenterrine auf dem Küchenschrank.
    »Kann ich die haben, um ihn hineinzulegen?«, fragte sie.
    »Ist zwar nicht meine, aber die kannst du bestimmt nehmen. Mach sie aber nicht kaputt. Jim schimpft sonst, wenn er zurückkommt, und das tut er bestimmt, wenn er merkt, dass die ihn da drüben nicht brauchen können. Er hat die alte Suppenterrine aus England mitgebracht. Ein Familienstück, hat er gesagt. Er und Min haben sie nie benutzt. Hatten wohl nie genug Suppe dafür, aber Jim hat sich wer weiß was drauf eingebildet. Er war ganz schön eigen mit manchen Sachen, aber dass sie unbenützt blieben, weil sowieso nie genug zu essen da war, das hat ihn nicht gestört.«
    Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass Rilla ein Baby anfasste. Sie hob es heraus, wickelte es in eine Decke und zitterte dabei vor Angst, sie könnte es fallen lassen oder gar zerbrechen. Dann legte sie es in die Suppenterrine.
    »Ob es so auch nicht erstickt?«, fragte sie besorgt.
    »Und wennschon«, sagte Mrs Conover.
    Vor Schreck schob Rilla die Decke um das Gesicht des Babys etwas zurück. Das Würmchen hatte aufgehört zu schreien und blinzelte sie mit seinen großen dunklen Augen an.
    »Pass auf, dass es keinen Zug kriegt«, warnte Mrs Conover. »Sonst bleibt ihm noch die Luft weg.«
    Rilla hüllte die Suppenterrine in den alten Stofffetzen ein. »Würden Sie mir das hinaufreichen, sobald ich auf dem Wagen sitze?«
    »Klar«, sagte Mrs Conover und stand schwerfällig auf.
    Und so kam es, dass Rilla Blythe, die überzeugt war, keine Babys zu mögen, mit einem ebensolchen in einer Suppenterrine nach Hause zurückkehrte!
    Rilla dachte schon, sie würde nie in Ingleside ankommen. Mit diesem dummen Pony kam sie kaum vom Fleck, in der Suppenterrine war es unheimlich still. Einerseits war Rilla ja froh, dass das Baby nicht schrie, aber es hätte doch wenigstens hin und wieder ein Lebenszeichen von sich geben und ein bisschen quieken können. Wenn es jetzt doch erstickt war? Rilla wagte nicht die Decke zu lockern, damit der Wind, der fast schon einem Hurrikan glich, dem Baby nicht >die Luft wegnahm<. Sie war heilfroh, als sie endlich Ingleside erreichte.
    Rilla trug die Suppenterrine in die Küche, setzte sie vor Susans Nase auf dem Tisch ab und entfernte den Stofffetzen. Susan schaute hinein und brachte vor Verblüffung keinen Ton heraus.
    »Was um alles in der Welt ist das denn?«, fragte Gilbert, der gerade hereinkam.
    Da erzählte Rilla ihm die Geschichte. »Ich musste es einfach mitnehmen, Vater«, sagte sie zum Schluss. »Ich konnte es doch nicht dort lassen.«
    »So, und was gedenkst du jetzt damit zu tun?«, fragte Gilbert kühl.
    Auf diese Frage war Rilla nicht unbedingt vorbereitet.
    »Wir - wir können es doch eine Weile hier behalten, oder? Ich meine, bis - bis eine Lösung gefunden ist?«, stammelte sie verwirrt.
    Gilbert marschierte

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