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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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er bedankte sich trotzdem. Ich konnte nicht sagen, ob wir uns gut verstehen würden, wenn wir uns tatsächlich unterhielten, aber am schwierigsten ist ja immer das Schweigen zu ertragen, und das hatten wir schon mal geschafft. Er ging wieder ins Bett und ließ mich mit meiner Tochter allein. Ich schlosssie in meine Arme und entschuldigte mich, weil ich so ekelhaft zu ihr gewesen war. Sie tat, als würde sie gar nicht verstehen, was ich meinte. Als ich schon in der Tür stand, fiel mir noch etwas ein:
    «Wenn du nichts dagegen hast, kauf ich uns zwei Tickets nach New York. Dann überraschen wir deinen Bruder.»
    «Sehr gute Idee. Da wird er sich bestimmt freuen.»
    Ich ging hinaus in die Nacht. Eine ganze Weile lief ich einfach in der Gegend herum. Die Sonne ging langsam auf, und die Leute standen wahrscheinlich auch schon auf. Es musste Jahre her sein, dass ich Paris das letzte Mal bei Sonnenaufgang gesehen hatte. Die Stadt schien bei vorzüglicher Laune zu sein, überhaupt nicht müde. Ich wartete, bis in der Nähe meines Hotels ein Café aufmachte, und setzte mich auf die Terrasse.
     
       * Nicht zu vergessen auch dieser Satz von Woody Allen, der in etwa so ging: «Der einzige Weg, glücklich zu werden, ist es, gerne zu leiden.» Oder diese hübsche Perle von Francis Scott Fitzgerald: «Natürlich ist alles Leben ein Prozess des Zusammenbrechens.»

 
     
     
     
     
VIERTER TEIL

1
    An dem Zwei-Sterne-Hotel, in dem ich hauste, war der zweite Stern verständlicherweise abgebrochen worden, und meine Zukunft lag weiter im Ungewissen. Mein Rücken führte ein unstetes Dasein, und es gelang mir nicht, die finsteren Hypothesen, die ich bisweilen aufzustellen neigte, aus meinem Kopf zu verbannen. Ich wollte die Kernspinuntersuchung wiederholen, eine innere Stimme sagte mir, beim zweiten Mal würde der Tumor bestimmt zutage treten. Dann beruhigte ich mich wieder. Ich analysierte nüchtern die Lage und versuchte, Schritt für Schritt vorzugehen. Man hatte mir zu verstehen gegeben, dass mein Leiden psychologischer Natur war. Meine Mutter hatte gesagt: «Du behältst zu oft die Sachen für dich. Du solltest mit allen Leuten reden, mit denen du irgendwie Probleme hast, und die Dinge ins Reine bringen …» Und damit hatte sie ausnahmsweise etwas Schlaues gesagt. Sie hatte vollkommen recht. Meine Rückenschmerzen waren die Summe all meiner ungelösten Probleme. Das Wichtigste in meinem Leben war natürlich: meine Frau, die Kinder, meine Eltern, die Arbeit. Doch vielleicht vernachlässigte ich die vielen kleinen Sachen, die auch dazu beigetragen hatten, dass sich Spannungen in mir angehäuft hatten. Ich brauchte eine Liste sämtlicher Konflikte, in die ich je geraten war, ich musste alle Ereignisse aufschreiben,die mich geärgert, gekränkt oder frustriert hatten. Auch die scheinbar belanglosen.
    Wenn ich so ein bisschen in meinem Gedächtnis kramte, fiel mir gleich jede Menge ein:
    In der Bibliothek von Perpignan zu Unrecht des
Buchdiebstahls beschuldigt worden.
    Von Sophie Castelot keine Einladung zu ihrem
achten Geburtstag erhalten.
    Die extrem unfaire Englischnote, die ich in der
fünften Klasse bekommen habe, weil das zweite Blatt
meiner Klassenarbeit auf mysteriöse Weise
verschwunden war.
    Die Trennung der Beatles (ich war zwar noch nicht
auf der Welt, aber trotzdem).
    Der rundum verschandelte Haarschnitt, den man mir
1995 verpasste.
    Am Sterbebett meines Großvaters nicht fähig gewesen,
ihm zu sagen, dass ich ihn liebte.
    Wenn alle anderen den Film gut fanden, bringe ich es
nie fertig zu sagen, dass ich ihn schlecht fand.
    1984 am Tischtennisturnier im Ferienclub Eldorado
teilgenommen, benachteiligt worden und deswegen
gleich in der ersten Runde ausgeschieden.
    Eine unverschämt hohe Rechnung für eine Autoreparatur
passiv hingenommen und bezahlt.
    Die Qualen, die mein Hamster Albert erleiden
musste, bevor er 1979 vor meinen Augen starb.
    Der Fahrradsturz meines Sohns am Tag, an dem ich
ihm die Stützräder abschraubte.
    Ein parkendes Auto gerammt und einfach weitergefahren.
    Keine Karte für das Pariser Miles-Davis-Konzert
am 10. Juli 1991 bekommen.
    Versäumt, Claude Jade, die mir im März 1987 in
der Rue de la Gaieté begegnete, meine Bewunderung
auszudrücken
* .
    Und so weiter.
    Das mochten zum Großteil eher harmlose Geschichten sein. Aber vielleicht formten sich ein Dutzend kleinerer Ärgernisse zu einem Knoten? Mein Leiden hatte bestimmt viele solcher kleinen Ursachen. Wenn ich mit all dem meinen Frieden

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