Zum Heiraten verfuehrt
„Von meiner Frau wird selbstverständlich erwartet, dass sie standesgemäße Kleidung trägt. Allerdings möchte ich doch sehr höflich darum bitten, dass du deine neue Garderobe etwas sorgfältiger auswählst als die, die du an unserem ersten Abend anhattest. Du wirst nämlich in Zukunft in der Öffentlichkeit die Rolle meiner Ehefrau spielen, nicht die eines Flittchens.“
Ruby war nicht geistesgegenwärtig genug, um seine Beleidigung angemessen zu kontern, dafür war sie wild entschlossen, seine milden Gaben zurückzuweisen. „Danke, ich habe genug zum Anziehen, mehr brauche ich nicht.“
Sie wagte es, ihm zu widersprechen? Höchste Zeit, dass er ihr zeigte, wo es langging. Er würde schon dafür sorgen, dass sie Kleider trug, die er bezahlte, und wenn nur, um sie beide daran zu erinnern, wer und was sie war. Selbst wenn er sie seinen Söhnen zuliebe heiraten musste, hatte er doch die Absicht, sie immer wieder daran zu erinnern, dass sie zu den Frauen gehörte, die kein Problem damit hatten, ihren Körper an den meistbietenden Mann zu verkaufen.
„Genug zum Anziehen?“, fragte er höhnisch. „In einem einzigen Koffer? Für euch alle drei? Meine Söhne und meine Frau werden meiner gesellschaftlichen Position entsprechend gekleidet sein und nicht wie …“
„Nicht wie was?“, fiel Ruby ihm ins Wort.
„Muss ich diese Frage wirklich beantworten?“, fragte er gefährlich leise zurück.
Der schäbige Koffer war bereits im Kofferraum der Luxuslimousine verstaut, und die Zwillinge saßen angeschnallt in ihren Kindersitzen. Alles war bereit – bis auf Ruby. Innerlich zerrissen schaute sie sich noch einmal im Haus um. Hatte sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen? Plötzlich wuchsen ihre Zweifel ins Unermessliche. Aber hatte sie denn eine Wahl?
„Wo ist dein Mantel?“
Sanders Frage lenkte sie ab.
„Ich brauche keinen“, schwindelte sie. In Wahrheit besaß sie gar keinen richtigen Wintermantel, doch das ging Sander nichts an – erst recht nicht nach allem, was er vorhin zu ihr gesagt hatte. Der kalte Märzwind zerrte an ihrem Pullover, während Ruby das Haus abschloss, zu der Limousine ging und einstieg. Ihre Kopfschmerzen waren inzwischen fast unerträglich geworden. Im Innenraum roch es nach teurem Leder, ganz anders als in dem Taxi, mit dem sie in jener Nacht zu Sanders Hotel gefahren waren …
Ihr Mund wurde trocken.
Die Zwillinge starrten gebannt auf die Fernsehmonitore, die in die Lehnen der Vordersitze eingelassen waren. Sander, der am Steuer saß, konzentrierte sich auf die Straße. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um an diese Nacht zu denken, ermahnte sich Ruby. Doch zu spät. Sie wurde bereits von einer Flut aus Erinnerungen überschwemmt.
Der tragische Unfalltod ihrer Eltern war für sie und ihre beiden Schwestern ein entsetzlicher Schock gewesen. Und dann hatte ihre älteste Schwester Lizzie auch noch beschlossen, das alte Pfarrhaus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatten, zu verkaufen. Das war für Ruby die nächste Hiobsbotschaft gewesen, weil ihr niemand erzählt hatte, dass ihre Eltern schwer verschuldet gewesen waren. Um sie zu schonen, wie Lizzie später erklärt hatte. Ruby hatte die Geschichte damals für sich allerdings anders interpretiert. Sie war davon ausgegangen, dass die Entscheidung, das Haus zu verkaufen, etwas damit zu tun hatte, dass Lizzie versuchte, in Cheshire eine Firma für Innenausstattung auf die Beine zu stellen. Weil sie auf Lizzie wütend gewesen war, hatte Ruby sich aus Trotz mit Tracy – einem Mädchen aus der Nachbarschaft – angefreundet, die noch nicht lange in der Gegend wohnte. Natürlich hatte Ruby gewusst, dass Lizzie von dieser Freundschaft nicht sonderlich angetan war, weil Tracys Eltern in Lizzies Augen ihrer Tochter allzu viele Freiheiten einräumten. Obwohl kaum zwei Jahre älter als Ruby, war Tracy doch schon recht erfahren gewesen, was Ruby irgendwie imponiert hatte. Tracy schminkte sich, hatte hellblond gefärbte Haare und trug hautenge Klamotten.
Insgeheim war Ruby keineswegs mit allem einverstanden, was Tracy so trieb, obwohl sie das ihren Schwestern gegenüber niemals zugegeben hätte. Tracys erklärtes Ziel war es, sich einen reichen Mann – am liebsten einen berühmten Fußballer – zu angeln. Zur Erlangung dieses Ziels hatte sie eifrig recherchiert und schließlich herausgefunden, dass die Fußballstars, auf die sie es abgesehen hatte, einen bestimmten Club in der Innenstadt von Manchester bevorzugten. Und
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