Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Aber das ist ein Schmerz, den ich mit mir allein ausmachen muß. Dabei kann mir keiner helfen. Da bin ich ganz allein.« Sie legte das Gesicht an seinen Hals, und plötzlich weinte sie. »Aber ich werde es überstehen«, schluchzte sie. »Man kann so vieles überstehen, Werner.«
    Einen Tag später erhielt Alf Boltenstern einen Brief. Er war anonym, aus Buchstaben einer Zeitung zusammengesetzt, in Düsseldorf zur Post gegeben.
    Gehen Sie nach Südamerika. Am besten Brasilien. Noch ist es Zeit zur Rettung. Sie können noch 20 oder 30 Jahre leben. Überlegen Sie nüchtern Ihre Lage.
    Boltenstern saß in seinem Büro und las diesen Brief mehrmals. Er überlegte, wer ihm solches schreiben konnte, und fand keinen, der so informiert war, ihm diese Ratschläge geben zu können. Nur drei waren es: Major Ritter, Schreibert und Huilsmann.
    Mit dem Major hatte er gestern noch gesprochen – er schied aus. Toni Huilsmann war ein Halbirrer geworden, der nur noch leben konnte, wenn er in einem leichten Rausch war. Also war es Schreibert, der diesen Brief geschickt hatte. Aber wie kam der Poststempel Düsseldorf auf das Kuvert?
    Boltenstern rief in Oberstdorf an. Die Pfortenschwester der ›Bergwald-Klinik‹ war verblüfft, als jemand fragte, ob sich ein Herr Schreibert noch im Hause befände. »Aber natürlich«, sagte sie. »Wer ist denn am Apparat?«
    Boltenstern legte wortlos auf. Hatte Schreibert einen Mittelsmann in Düsseldorf? Kam die größte Gefahr nicht von Huilsmann, sondern von ihm? Verlor der Gesichtslose wieder die Nerven?
    Boltenstern verzichtete darauf, sich diese Fragen selbst zu beantworten. Er hielt mehr von klaren Antworten.
    Mit dem Nachtzug noch fuhr er nach Oberstdorf, um Hermann Schreibert zu sprechen.
    Die Tage in der ›Bergwald-Klinik‹ wurden für Schreibert ein qualvolles Komödienspiel. Er ging Corinna Colman aus dem Weg, beachtete sie gar nicht, lag immer weit entfernt von ihr im Park unter seinem Sonnenschirm und las. Aber den großen Nordländer beobachtete er. Solange er in seiner widerlichen, Besitz demonstrierenden Art um Corinna herum war, schied er aus Schreiberts Interesse aus … aber sobald er sich von ihr trennte und allein war, wurde Schreibert lebendig und schlich sich in seine Nähe.
    Er wartete auf einen günstigen Augenblick.
    Unverhofft kam er, an einem Nachmittag, als Schreibert aus dem Keller, wo die Massageräume lagen, mit dem Fahrstuhl wieder emporfahren wollte. Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich, und der Nordländer war im Begriff, den Keller zu betreten.
    Schreibert handelte schnell. Mit einem Stoß vor die Brust warf er seinen Widersacher in den Fahrstuhl zurück, sprang selbst hinein und schloß die Tür. Dann drückte er den Fahrknopf, hielt aber zwischen Keller und Parterre den Fahrstuhl an, indem er den Sonderhebel HALT hinunterdrückte.
    »Sind Sie verrückt?« fragte der Nordländer steif.
    »Auf keinen Fall bin ich eine im Bett erstickte Leiche!« sagte Schreibert ohne besondere Betonung. »Aber um vorweg eine Erklärung zu geben: Ich bin zwar mit den Jahren ein bißchen dick und bequem geworden, aber 1944 war ich Regimentsmeister im Boxen, und wie beim Radfahren oder Schwimmen verlernt man die Grundregeln nicht, auch wenn man nicht mehr im Training ist. Ich freue mich, die Gelegenheit zu haben, Ihnen das zu beweisen.«
    Noch bevor der lange Nordländer in Abwehrstellung gehen konnte, knallte ein Fausthieb in seine Magengrube. Er knickte nach vorn zusammen, sein Kinn lag genau vor Schreibert, und es war diesem eine sichtliche Wonne, mit aller Kraft, aus der Schulter heraus, einen Schlag genau auf die Spitze zu setzen.
    Mit einem Ächzen fiel der lange Nordländer um. An der Rückwand des Fahrstuhls rutschte er in die Knie, hob die Hände schützend gegen das Gesicht, aber Schreibert, in einem Taumel der Rache, schlug sie ihm hinunter und riß dann mit einem Ruck die Maske ab. Dann hieb er in das zerstörte, maßlos häßliche Gesicht hinein, immer und immer wieder, bis seine Knöchel blutig wurden.
    Über die Kellertreppe stieg er später empor in die Halle, ging in sein Zimmer, wusch sich, zog sich um zum Abendessen und setzte sich gemütlich an den breiten Kamin im Eßsaal.
    Zwei Pfleger fanden den mit Blut übergossenen Nordländer wenig später im Fahrstuhl, trugen ihn ins Bad, wuschen ihn und brachten den Besinnungslosen ins Bett. Dr. Hellerau untersuchte ihn, stellte keine großen Verletzungen fest, nur ein paar Platzwunden und einige Blutergüsse und

Weitere Kostenlose Bücher