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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vorbei in das Handschuhfach, holte eine Zeitung heraus, faltete sie auseinander und hielt sie Schreibert unter die verblüfften Augen.
    »Warum läßt du Saukerl so etwas schreiben?!« sagte Boltenstern mit erschreckender Kälte. »Versuche nicht zu leugnen. Ich weiß, daß du der Informant bist! Man sollte dich aus dem Wagen holen und in die Schlucht werfen!«
    Schreibert saß einen Augenblick starr vor Schrecken hinter der ihm vorgehaltenen Zeitung, ehe er zugriff und sie aus der Hand Boltensterns riß. Er überflog den Artikel, und er brauchte keine Einzelheiten zu lesen, um zu wissen, was er bedeutete.
    »Das ist ja allerhand«, sagte er stockend.
    »Warum hast du …?« setzte Boltenstern erneut an, aber Schreibert warf ihm die Zeitung in den Schoß. Sein zerstörtes Gesicht – solange sie allein fuhren und nicht ausstiegen, trug Schreibert nicht seine Reisemaske – begann zu zucken.
    »Du glaubst doch nicht, daß ich …«, sagte er dumpf.
    »Wer weiß sonst die Einzelheiten als nur du?«
    »Toni …«
    »Toni ist krank«, sagte Boltenstern steif. »Sehr krank. Er hat andere Sorgen, als sich als Informant für solch eine Schmiererei zur Verfügung zu stellen. Der einzige, der Langeweile hat, bist du!«
    Sie sahen sich an und schwiegen. Nicht nur Mißtrauen lag jetzt zwischen ihnen, auch ein stiller, schwelender, vernichtender Haß.
    »Welchen Nutzen hätte ich, solche Artikel zu lancieren?« fragte Schreibert endlich.
    »Was weiß ich?! Dämliche Rache!« Boltenstern starrte auf die Felsen neben sich. Ein paar Autos fuhren an ihnen vorbei und hupten, weil Boltenstern zu nahe an einer Kurve geparkt hatte. »Gibst du mir die Schuld, daß du gegen einen Baum fährst und dir das Gesicht abschabst?!«
    »Wenn wir damals nicht dein verdammtes LSD genommen hätten – wenn du dieses Teufelszeug nicht mitgebracht hättest – wenn du –«
    »Wenn … wenn … wenn …« Boltenstern warf die Arme hoch. »Hinterher klagen, ist die Art alter Weiber! Als ich euch von dem LSD erzählte, wart ihr alle wild darauf! Was dann geschah – wer konnte das vorausahnen?! Daß du hingehst und Richard mit einem Schal …«
    »Hör davon auf!« brüllte Schreibert und schlug Boltenstern mit der Faust gegen die Schulter. »Ich weiß davon nichts!«
    »Aber du hast es getan.«
    »Keiner weiß es! Alle waren im Rausch.«
    »Ich habe es gesehen, Hermann.«
    »Du hast allen Grund, das nicht zu sagen.«
    Boltenstern senkte den Kopf. Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie wieder in den Handschuhkasten. Wenn man logisch dachte – und hier war die Logik der einzige Beweis –, konnte Schreibert wirklich nicht die Artikel veranlaßt haben. Zu sehr lastete das Schuldgefühl auf ihm, seinen Freund Erlanger im Rausch erwürgt zu haben. Kein Mensch stößt in die schützende Mauer, die sein Geheimnis umschließt, selbst ein Loch, um die anderen hineinblicken zu lassen. Das wäre eine Art Selbstzerfleischung, und Schreibert war nicht der Typ eines Masochisten.
    »Es gibt noch einen Zeugen«, sagte Boltenstern leise.
    Über Schreiberts Gesicht, über diese flache Landschaft aus Narben und Schrunden und Runzeln, zuckte es wie unter Nadelstichen.
    »Wer?« fragte er heiser.
    »Das Auge einer automatischen, irgendwo im Zimmer eingebauten Filmkamera Tonis …«
    »Nein –«, stammelte Schreibert. Seine Augen in dem wegradierten Gesicht wurden rund und starr. Fischähnlich.
    »Toni hat mir den Film selbst vorgespielt. Ich war wie gelähmt. Jede Einzelheit ist zu sehen. Wie du aufstehst, zur Garderobe schwankst, den Seidenschal holst, dich über Richard beugst … im Film sieht es aus, als ob du sogar dabei gesungen hättest …«
    Schreibert warf die Hände an seine Ohren und schloß die Augen. »Aufhören!« schrie er. »Aufhören!«
    Boltenstern sah ihn kalt an. So betrachtet eine Schlange das Kaninchen, das von ihrem Blick hypnotisiert ist. Dieser Mensch ist fertig, dachte Boltenstern zufrieden. Toni Huilsmann ist das Opfer seiner violetten Träume geworden … Hermann Schreibert wird zugrunde gehen an seinem Schuldgefühl und an der Angst, man könnte die Wahrheit erfahren.
    Nein – keiner von beiden konnte diese Artikel unterstützen. Und doch erschienen sie weiter, das ahnte er. Morgen, übermorgen, die ganze Woche lang. Bis der Name Boltenstern so unmöglich geworden war, daß die Gesellschaft ihn fallenlassen mußte, um ihr eigenes, maskiertes Gesicht zu wahren. Was aber ist ein Mensch in der Industrie ohne die Empfehlung, Mitglied der

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