Zurueck ins Glueck
nämlich wieder in Ordnung bringen.«
Kathleen betrachtete ihre Tochter bekümmert. Sie sollte ein unbeschwertes Leben führen, einen anständigen Mann heiraten – einen Arzt oder einen Anwalt vielleicht – und hübsche, gesunde Kinder bekommen. Samantha war ebenso schön wie klug. Die Welt hätte ihr gehören können. Wann nur war alles so furchtbar schiefgelaufen? Sam hätte jeden Mann haben können. Warum musste sie ausgerechnet auf einen Judge verfallen? Wieso hatte ihr das Schicksal einen so grausamen Streich spielen müssen? Oder war alles noch schlimmer? Hatte Gott dabei seine Hand im Spiel, um sie, Kathleen, dafür zu bestrafen, dass sie eine so schlechte Mutter und Ehefrau gewesen war?
»Mum?« Samantha konnte ihre Ungeduld kaum noch bezähmen. Außerdem fielen ihr vor Erschöpfung beinahe die Augen zu. »Ich warte.«
»Wo soll ich anfangen?«
»Wie wäre es mit dem Anfang?« Ein schneidender Unterton schwang in Samanthas Stimme mit.
Wie um den letzten Rest ihrer Kräfte zu sammeln, schloss Kathleen die Augen, dann begann sie zu sprechen.
»Meine Mutter hatte von Anfang an Recht, aber ich war zu verblendet, um das zu begreifen. Sie sagte, Pablo wäre nicht der richtige Mann für mich. Ich glaubte ihr natürlich kein Wort, ich hielt sie für jenseits von Gut und Böse, wie sollte sie da verstehen, was ich für ihn empfand? Später wurde mir klar, dass sie eben das nur zu gut verstanden hat. Sie wusste genau, was in mir vorging; sie wusste, warum unsere Beziehung von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Vermutlich sah sie zu dieser Zeit meine Zukunft klarer vor sich, als ich mich an meine Vergangenheit erinnern kann.«
»Mutter, wovon redest du eigentlich?«
»Von Pablo.«
»Von Dad?«, hakte Samantha nach.
Kathleen schlug die Augen auf und sah ihre Tochter an, ging aber auf die Frage nicht ein, sondern fuhr fort: »Ich lernte ihn 1968 in London kennen, ich machte dort einen Kosmetikerinnenkurs. Meine Mutter hatte jeden Farthing zusammengekratzt, den sie im Leben gespart hatte, um mir diesen Kurs zu bezahlen, und dafür war ich ihr unendlich dankbar. Ich wollte etwas aus meinem Leben machen. Damals hatte ich noch große Pläne, ich wollte es zu etwas bringen in der Welt, wollte jemand sein.« Ihre Augen leuchteten einen Moment lang auf, dann erlosch der Glanz wieder. »Pablo hielt sich zur selben Zeit in London auf, weil er dort Arbeit suchte. Einen besser aussehenden Mann als ihn hatte ich noch nie zu Gesicht bekommen, Sami. Er hatte bräunliche Haut und große braune Augen, und ich fand ihn attraktiver als jeden Iren, der mir bislang begegnet war. Sein Haar war pechschwarz, er kämmte es mit Gel aus der Stirn zurück. Ich war ganz hingerissen von ihm, und ich gefiel ihm
auch, das merkte ich sofort.« Ein träumerischer Ausdruck trat auf ihr Gesicht, als sie diese glücklichen Erinnerungen wieder aufleben ließ. »Er strahlte eine geradezu unbändige Lebensfreude aus. Ich verliebte mich sehr schnell bis über beide Ohren in ihn.«
Samantha erwog, ihre Mutter zu unterbrechen und deren Redefluss wieder auf den gestrigen Tag und die unerfreuliche Szene in der Kirche zu lenken, entschied sich dann aber dagegen. Sie wollte mehr über die Zeit erfahren, zu der sich ihre Eltern kennengelernt hatten.
»Ich kann mich noch genau an unsere erste Verabredung erinnern«, erzählte Kathleen weiter. »Ich verzichtete darauf, mir etwas zu essen zu kaufen, und gab mein gesamtes Taschengeld für eine Woche für ein Mary-Quant-Kleid aus. Bis heute ist es für mich das schönste Kleid, das ich je besessen habe – ein weißes Minikleid mit großen schwarzen Punkten. Ich fand mich wunderschön darin, und Pablo schien meine Meinung zu teilen.« Kathleen zwinkerte eine Träne fort, die sich von ihrer Wimper lösen wollte. »Er lud mich zu einem Picknick im Hyde Park ein. Ich fand das ungeheuer romantisch; ich kam gar nicht auf die Idee, dass er es sich einfach nur nicht leisten konnte, mich in ein teures Restaurant auszuführen. Er hatte Sandwiches gemacht und einen wundervollen spanischen Wein mitgebracht. Pablo war ungemein stolz auf die Weine aus seiner Heimat Rioja, und für mich klang das alles so neu und exotisch, ich war überwältigt. Wir haben dann zwei ganze Flaschen Wein geleert, so viel hatte ich noch nie in meinem Leben getrunken, und ich kam mir vor, als wären mir Flügel gewachsen. Pablo und ich tanzten auf dem Rasen des Hyde Park einen Flamenco. Die Leute blieben stehen, um uns
zuzuschauen, und
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