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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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kommen, räume ich meine Garage auf.« Im Unterschied zum Engagement ist Moral im Sinne von Zuversicht und Entschlossenheit ein Gefühl unmittelbaren Wohlbefindens. Engagement ist durch eine längere zeitliche Perspektive gekennzeichnet, wie etwa das Bestreben, seine Kinder gut zu erziehen, ein eigenes Geschäft zu eröffnen oder vielleicht auch einen Roman zu schreiben. Können Menschen unter schwacher Moral leiden und dennoch ein starkes Engagement empfinden? Auf den ersten Blick ganz gewiss. Die Kindererziehung ist oft demoralisierend, aber das tut dem Engagement der meisten Eltern für ihre Kinder keinen Abbruch. Man macht trotzdem weiter. Einen Roman zu schreiben erfordert ein gewaltiges Engagement und erscheint allenfalls solchen Leuten als Vergnügen, die noch nie einen geschrieben haben. Die moderne Gesellschaft scheint dem viktorianischen Imperativ allerdings noch auf andere Weise zu widersprechen, hält sie die Moral doch für ein äußerst wichtiges Faktum und ein wesentliches Moment von »Wohlbefinden«.
    Nach einer neueren Studie der Weltgesundheitsorganisation hat niedrige Moral, dort als Depression bezeichnet, inzwischen fast epidemische Ausmaße angenommen. In den entwickelten Ländern leidet angeblich nahezu ein Viertel der Bevölkerung daran, und 15 Prozent der Bevölkerung dieser Länder nehmen Medikamente dagegen ein. 8 (Wie im vierten Kapitel angemerkt, sind die Kinder inzwischen eine wichtige Zielgruppe für die Hersteller solcher Pillen.) Der Psychoanalytiker Darian Leader betrachtet die WHO-Statistiken mit Skepsis. Er glaubt, mit dem Gerede von einer Depressionsepidemie mache man die im realen Leben anzutreffende Traurigkeit und Ungerechtigkeit zu einer Krankheit. 9 Dennoch ist das depressive Erleben eine neurochemische Realität. Als körperlicher Zustand verringert Depression die Energie und lässt in ihren stärkeren Ausprägungen jedes anspruchsvolle Handeln als unmöglich erscheinen. Die echte klinische Depression ist keine zeitweilige Stimmung. Sie zerstört die Fähigkeit zum Engagement.
    Gelegentlich werden kooperative Aktivitäten als Therapie für klinisch Depressive empfohlen. Allerdings leidet die Komplexität der Kooperationserfahrung, wenn sie solcherart als Therapie eingesetzt wird. Als ich einmal eine aufgrund ihrer Depression suizidgefährdete Freundin in einem psychiatrischen Krankenhaus besuchte, stellte ich fest, dass man dort versuchte, sie zum Mitsingen und zu einfachen Küchenarbeiten in der Gruppe zu bewegen. Sie konnte sich auf solche Aktivitäten einlassen, nicht aber auf kompliziertere. Zwischen der Schlichtheit dieser Aktivitäten und der Tiefe ihrer Stimmungslage klaffte ein Abgrund. Erstaunlicherweise besserte sich ihr Zustand mit der Zeit von selbst. Wir verdanken Freud eine Erklärung, warum so etwas möglich ist. Klinische Erfahrungen mit solchen Fällen einer spontanen Erholung veranlassten ihn, der Bedeutung der Moral auf einer allgemeineren Ebene nachzugehen.
    Schon früh in seiner Forschungstätigkeit nahm Freud die verbreitete Vorstellung aufs Korn, wonach Depression lediglich Ausdruck eines geringen Selbstwertgefühls sei. In Wirklichkeit sei der Depressive voller Zorn und Wut auf die Welt, die ihn enttäuscht habe. Diesen Zorn wende er dann gegen sich selbst. Selbsthass sei sicherer und leichter zu kontrollieren als die Auseinandersetzung mit anderen. In Totem und Tabu , einem Werk, das 1912 Gestalt annahm, schrieb Freud: »Solche im Unbewußten versteckte Feindseligkeit hinter zärtlicher Liebe gibt es nun in fast allen Fällen von intensiver Bindung des Gefühls an eine bestimmte Person …« 10 Hinter der Depression verberge sich Zorn auf Eltern, Ehegatten, Geliebte oder Freunde – ein Zorn, der seinen Namen nicht zu nennen wage.
    In diesen frühen Ansichten zeigt sich ein Freud, den viele von uns nicht mögen. Die Mühle der Psyche mahlt unermüdlich weiter, ganz unabhängig von den Umständen. Vielleicht spürte Freud selbst, dass seine Erklärung allzu mechanisch war, oder vielleicht war es der Schrecken des Ersten Weltkriegs mit seinen Millionen von Toten, der hier seine Wirkung entfaltete – jedenfalls hatte er sein Verständnis der Depression gegen Ende des Krieges erweitert. In seinem 1917 veröffentlichten Aufsatz »Trauer und Melancholie« unterscheidet er zwei Formen geringer Moral hinsichtlich ihrer zeitlichen Dimension. Depression oder »Melancholie« ist ein ständiger Zustand, ein eintöniger Trommelschlag, der sich unablässig

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