Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
über Strohdächer und Ofenschieber bis hin zur Philosophie bewegt – oder verirrt? Aber das hat seinen Grund.
Wir haben festgestellt, dass zwischen dem Herstellen und Reparieren innerhalb der Werkstatt und dem sozialen Leben außerhalb der Werkstatt ein Zusammenhang besteht. Der prägnante Ausdruck »verkörpert« hilft uns, diese Verbindung zu ziehen. »Verkörpertes soziales Wissen« ist eine fließende, im sozialwissenschaftlichen Jargon häufig benutzte Metapher. Obwohl Metaphern und Vergleiche das Verständnis erleichtern, erscheint es mir bei dem Wort »verkörpert« sinnvoller, die Dinge direkter und konkreter zu fassen. Vielleicht betone ich das, weil ich, philosophisch betrachtet, die Trennung von Körper und Geist bezweifle. Auch kann ich nicht glauben, dass soziale Erfahrung und physisches Empfinden sich voneinander trennen lassen. Ich wollte erkunden, wie der Rhythmus der physischen Technik innerhalb der Werkstatt sich im Rhythmus von Ritualen außerhalb der Werkstatt bemerkbar macht. In der Werkstatt sorgen informelle Gesten dafür, dass Menschen emotionale Beziehungen und Bindungen untereinander eingehen. Welche Kraft kleine Gesten entfalten können, zeigt sich auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Gemeinde. Die in der Werkstatt anzutreffende Praxis des minimalen Einsatzes physischer Kraft macht sich auch im differenzierenden sprachlichen Austausch bemerkbar. Selbst wenn man in diesen Zusammenhängen nur Analogien erblickt, hoffe ich, sie stärken die Einsicht, dass soziale Beziehungen Baucherfahrungen sind.
Die Tätigkeit des Reparierens verweist auf weitere Zusammenhänge zwischen Physischem und Sozialem. Beim Restaurieren eines Porzellangefäßes oder auch eines Rituals wird der authentische Zustand wiederhergestellt – der durch Abnutzung oder die Geschichte eingetretene Schaden wird rückgängig gemacht. Der Restaurator wird zum Diener der Vergangenheit. Die Sanierung ist stärker gegenwartsorientiert und eher strategisch ausgerichtet. Bei der Sanierung kann man das ursprüngliche Objekt verbessern, indem man alte Teile durch neue ersetzt. Im sozialen Bereich geschieht dasselbe, wenn man alte Ziele mit neuen Projekten und einer neuen Politik verfolgt. Der Umbau ist experimenteller in der Perspektive und informeller im Vorgehen. Die Reparatur einer alten Maschine kann bei einem spielerischen Umgang mit dieser Aufgabe dazu führen, dass man sowohl den Zweck als auch die Funktionsweise der Maschine verändert. Auch die Reparatur sozialer Beziehungen kann zu unvorhergesehenen Ergebnissen führen, vor allem wenn sie informell geschieht. Von den drei Reparaturformen ist der Umbau sozial am folgenreichsten. Wie wir gleich sehen werden, ist er am wirkungsvollsten bei der Erneuerung von Kooperation.
VIII Alltagsdiplomatie
Gesprächskunst der Reformationszeit
in praktischer Anwendung
Alltagsdiplomatie ist eine Möglichkeit, wie Menschen mit Menschen umgehen, die sie nicht verstehen, zu denen sie keine Beziehung haben oder mit denen sie im Konflikt leben. Um diese Herausforderungen zu bestehen, verfahren Menschen in der Gemeinde, bei der Arbeit oder auf der Straße in ähnlicher Weise wie beim Herstellen und Reparieren von Dingen in der Werkstatt. Sie arbeiten mit minimalem Krafteinsatz, schaffen durch codierte Gesten einen sozialen Raum und nehmen ausgeklügelte Reparaturen vor, die auf Traumata eingehen. Es wird oft gesagt, Andeutung und indirekte Rede seien das Wesen der Diplomatie, und es stimmt, dass es bei diplomatischen Bemühungen eher um Anregungen als um Anordnungen geht. Etwas zugespitzt könnte man sagen, in der Alltagsdiplomatie findet das dialogische Gespräch seine praktische Anwendung. Ein Ergebnis ist geschicktes Konfliktmanagement.
Wahrscheinlich lernen Menschen in allen Kulturen, wie sie Beziehungen untereinander aufnehmen können, indem sie unverblümte Äußerungen meiden und stattdessen taktvoll und in Andeutungen miteinander sprechen. In Europa nahm jedoch, wie wir gesehen haben, die Entwicklung der zugehörigen kulturellen Codes in der Spätrenaissance und der frühen Reformation eine neue Wendung. Berufsdiplomaten und Höflinge entwickelten neue Verhaltensrituale, die auf neuen Vorstellungen von höflichen Umgangsformen basierten.
Im vorliegenden Kapitel will ich diesem Erbe im alltäglichen Leben nachgehen. Obwohl die Umgangsformen auf unseren heutigen Straßen kaum Ähnlichkeit mit den elaborierten Umgangsformen in den Botschaften oder Salons
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