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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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Angestelltenbereich geht der Trend vielmehr in Richtung relativ gering qualifizierter Dienstleistungen, etwa im Einzelhandel oder in der Altenpflege – Beschäftigungsverhältnisse, die der im fünften Kapitel angesprochenen kurzfristigen Orientierung ausgesetzt sind. Natürlich gibt es einige persönlich orientierte freiberufliche Tätigkeiten, die von diesem Rückgang nicht betroffen sind – wer möchte schon einen Anwalt in Indien beauftragen, sich per E-Mail um eine Scheidung zu kümmern? Die westlichen Volkswirtschaften stehen gleichwohl vor der paradoxen Situation einer hohen Produktivität ohne Vollbeschäftigung. Wir müssen damit rechnen, dass es für 15 bis 18 Prozent des Arbeitskräftepotenzials »normal« sein wird, mehr als zwei Jahre lang keine Vollzeitbeschäftigung zu haben. Bei jungen Menschen unter dreißig Jahren wird dieser Anteil sogar auf 20 bis 25 Prozent anwachsen. 4
    Immer mehr Menschen müssen sich also darauf einstellen, häufiger Einrichtungen wie die Arbeitsvermittlung in Anspruch zu nehmen. Und diese wird nicht die einzige derartige Einrichtung bleiben. In Großbritannien entstehen zurzeit »Job-Clubs«, kommunale Selbsthilfegruppen, die vor allem Langzeitarbeitslosen helfen sollen, den Mut nicht zu verlieren, und ihnen persönlichen Rat anbieten. Diese Gruppen stehen jedoch ebenso wie die Arbeitsvermittlungen vor der immer schwierigeren Aufgabe, ihre Klienten in die wenigen verfügbaren Arbeitsplätze zu vermitteln. Für die Mittelschicht bedeutet dies, dass sie ihre Erwartungen senken muss. Die professionellen Arbeitsvermittler wie auch die Organisatoren gemeinnütziger Einrichtungen müssen die Fähigkeit entwickeln, mit der Enttäuschung ihrer Klienten umzugehen. Diese Berater und Organisatoren sind in der heutigen Gesellschaft die Realisten, während Politiker, die eine Rückkehr zu einer Vollbeschäftigung versprechen, wie die Generation unserer Eltern sie kannte, die Phantasten sind.
    Dennoch darf die Arbeitsvermittlung keine Schule des Elends sein. Durch indirekte Kooperation können Arbeitssuchende tatsächlich lernen, wie sie sich am besten verhalten, wenn sie es bis zu einem Einstellungsgespräch schaffen. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie etwas aus ihrem Leben machen können. Nur wenige Berufsberater hielten es in ihrem Job aus, wenn sie sich nur noch als Lehrer im Umgang mit Enttäuschung verstehen müssten. Der Wert der Anstrengung liegt für die Arbeitssuchenden wie für die Berater darin, dass sie einen Umbau bewirken, zwar nicht wirtschaftlicher, wohl aber sozialer und persönlicher Art. Die Aufgabe lautet, mit anderen in Verbindung zu bleiben, auch wenn man sich innerlich elend fühlt. Der hartgesottene Rationalist, der darin nur einen »Wohlfühlfaktor« erblickt, verkennt, wie viel hier auf dem Spiel steht. Der entmutigte Arbeitslose muss lernen zu überleben. Dieses Ziel hält den guten Berater auf seinem Posten. Wie überwindet man das Gefühl, ein Gefangener der Arbeitslosenstatistik zu sein?
    Wie sich die Kraft, widrigen Lebenslagen zu widerstehen, stärken lässt, ist eine drängende persönliche und kollektive Frage, auf die uns die Menschen in den Arbeitsvermittlungen eine vielleicht recht spezielle, aber dennoch aufschlussreiche Antwort geben. Die Reparatur beruht unter anderem darauf, dass man einem ökonomisch bedingten Rückzug widersteht. Dieser ist nämlich kein freiwilliger, die Angst reduzierender Rückzug im Sinne Tocquevilles, sondern eher ein Rückzug von der Art, wie Max Weber ihn beschreibt – die negative Seite der Arbeitsethik, eine Isolation, die die Angst noch verstärkt, weil man sich auf sein unzulängliches Ich konzentriert. Entscheidend für die Reparatur ist es unter diesen Umständen, die Verbindung zu anderen Menschen aufrechtzuerhalten – eine Aufgabe, die paradoxerweise eine Absenkung der emotionalen Temperatur erfordert. Die Beratung in der Arbeitsvermittlung bietet uns hier ein kleines, aber aufschlussreiches Bild davon, wie man solch eine Reparatur durch indirekte Kooperation angehen kann.

Konfliktmanagement

    Gute Berater stehen immer auf der Seite ihrer Klienten. Ein Gutteil des sozialen Austauschs ist jedoch stärker konfliktorientiert, entweder im Sinne eines Nullsummenspiels oder im Sinne eines Kampfes, bei dem der Gewinner alles erhält. Wir stellen uns vielleicht vor, die Rolle, die der Alltagsdiplomatie in solchen Situationen zufällt, sei die einer Beschwichtigung und Besänftigung der widerstreitenden

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