Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
gesagt oder gemeint hatten. Sokrates verhört sich, um das Denken zu öffnen.
Aber was ist, wenn es keinen Schlichter gibt? Muss der Sturm dann zu Verwüstungen führen? Gehen die Streithähne dann ungehemmt aufeinander los? Unter gewissen Umständen kommt das Konfliktmanagement auch ohne Mediatoren und Schlichter aus. Hier lässt sich der Schaden reparieren, indem man das Verhältnis zwischen Schweigen und Reden neu austariert.
Die Wall Street war früher einmal das ganze New York. Gleich oberhalb des heutigen Finanzzentrums, in Tribeca oder entlang der Canal Street, richteten Einwanderer – Juden, Slowaken, Italiener, Polen und Asiaten – schon früh, Ende des 19. Jahrhunderts, spezialisierte Betriebe ein, kleine Firmen im Bereich des produzierenden Gewerbes oder des Dienstleistungssektors, in Familienbesitz befindlich und von Familien geführt, nicht weit von den Wohnsitzen dieser Familien in der Lower East Side. Diesen Gürtel aus spezialisierten, von Immigranten geführten Betrieben gibt es heute noch, wenn auch in geographisch schrumpfendem Umfang, aber immer noch eingebunden in ein Geflecht langjähriger Beziehungen zu Lieferanten und Kunden. Wie häufig bei Kleinbetrieben zu beobachten, drängen die Wettbewerber sich am selben Ort zusammen. So findet man in einer einzigen Straße in Chinatown heute acht Großhändler für Woks jener Größe, die man in Restaurants benötigt.
Aufgrund der Folgen des Bürgerkriegs und der schwierigen wirtschaftlichen Lage in ihrer Heimat begannen Koreaner Mitte der 1970er Jahre in großer Zahl in die Vereinigten Staaten auszuwandern, wobei sie sich hauptsächlich in Großstädten niederließen, vor allem in New York und Los Angeles. In New York glichen sie in manchen Aspekten früheren Einwanderern, in anderen Aspekten unterschieden sie sich von ihnen. Wie andere Einwanderer waren sie schrecklich arm. Im Unterschied zu anderen besaßen viele koreanische Einwanderer jedoch ein hohes Maß an Bildung, fanden aber für ihre Fähigkeiten als Ärzte oder Ingenieure in den Vereinigten Staaten keinen Markt. Ihre Lage lässt sich in Europa noch am ehesten mit der Situation der gut ausgebildeten Vietnamesen vergleichen, die in den 1960er Jahren während des Vietnamkriegs nach Paris kamen.
In New York unterschieden sich die Koreaner außerdem dadurch von anderen Einwanderern, dass sie aus dem traditionellen Einwanderergürtel um das Stadtzentrum ausbrachen. Sie eröffneten Geschäfte in Vierteln, in denen sie Fremde waren, und bauten sich selbst eine Nische, indem sie ihre Geschäfte rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche offenhielten und dort Fertiggerichte und Blumen sowie abgepackte Ware an Nichtkoreaner verkauften. Ihre Kunden waren entweder wohlhabende Bewohner von Manhattan oder arme Schwarze in Vierteln, die über die ganze Stadt verstreut lagen und in denen es keine großen Lebensmittelgeschäfte gab. Die koreanischen Läden erscheinen den New Yorkern inzwischen als selbstverständlich, doch vor vierzig Jahren waren sie etwas völlig Neues. In einer Hinsicht glichen die Koreaner den Chinesen, die vor ihnen gekommen waren, denn auch sie gründeten Kreditgenossenschaften für die Finanzierung ihrer Läden. Gutgehende Firmen gaben einen Teil ihrer Gewinne in solche Genossenschaften, bei denen Neulinge dann Kredite aufnehmen konnten. In der Pioniergeneration waren außerdem die sozialen Bande sehr stark. In den koreanischen Läden erwartete man von Erwachsenen, die nicht arbeiteten, dass sie als Babysitter für andere fungierten und oft in den hinteren Räumen der Geschäfte auf Kinder aufpassten. 9
Die untereinander kooperativen koreanischen Ladeninhaber standen in besonderer Weise vor dem in dieser Studie mehrfach aufgezeigten Dilemma, mit Menschen zurande zu kommen, die anders sind als sie. Für die Pioniergeneration wuchs sich dieses Dilemma zu einer Konfrontation mit ihren armen afroamerikanischen Kunden aus. Natürlich hatten die Koreaner mit Sprachbarrieren zu kämpfen, doch manche dieser Kunden wurden auch zu Feinden, weil sie die Preise in den koreanischen Geschäften als Ausbeutung empfanden. Manche beneideten die Koreaner um die finanziellen Ressourcen, die hinter den einzelnen Läden standen. Die Koreaner wiederum verachteten diese armen Kunden, weil ihnen deren Leben haltlos und ohne jede Ordnung erschien – und schlimmer noch, sie ließen ihre Kunden diese Verachtung spüren.
Das hatte Gewalt zur Folge. 1992 wurden bei Ausschreitungen in Los Angeles etwa
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