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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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antiseptischen Tuch in ihrer Tasche herum und versucht, sich daran zu erinnern, ob sie irgendetwas mit der Hand berührt hat, seit sie sich gesetzt hat.
    »Ich habe mir gedacht«, schlägt Alex vor, »dass sie hier erst einmal richtig durchfegen und danach einmal die Woche kommen.«
    »Zweimal wäre besser«, sagt Frankie.
    Sie sieht die Zweifel im Gesicht von Mrs Levin.
    »Ein Tag in der Woche bringt gar nichts«, erklärt Frankie. »Selbst wenn man gründlich ist, bewegt man den Staub dann nur von einer Ecke in die andere.« Keime erwähnt sie erst gar nicht. Sie weiß, dass die Menschen nicht an die kleinen, ekeligen Dinger erinnert werden wollen, die überall in ihren Heimen lauern. »Falls es Ihnen hilft«, fügt sie hinzu, »könnte ich meinen Stundenlohn ein wenig kürzen.«
    »Das möchte ich nicht.«
    Frankie sieht Alex an, dass sie es ernst meint. Die Frau ist ihr gleich sympathischer.
    Und auch das Haus wird ihr immer sympathischer.
    Frankies Traumhaus.
    Mussichhaben.

27
    Als Alex und Jude am folgenden Samstagnachmittag Hand in Hand über die King’s Road in der Nähe des verlassenen Wracks schlendern, das einst das West Pier gewesen war, kam ein Beerdigungszug an ihnen vorüber. Fünf schwarze Autos folgten dem Leichenwagen, der im Sonnenlicht schimmerte. Das rosa und weiße Blumengesteck auf dem Sarg legte nahe, dass es sich bei dem Toten um eine Frau handelte.
    Alex spürte Judes augenblickliche Anspannung fast so deutlich wie den salzigen Wind in ihrem Gesicht. Kurz drückte er ihre Hand, bevor er sie rasch wieder zurückzog.
    »Jude?«
    Er war bleich geworden, sein Mund verspannt, und dann, plötzlich, wandte er sich ab, und es dauerte ein paar Sekunden, bis Alex erkannte, dass nicht sie es war, der er den Rücken zukehrte, sondern der Leichenwagen.
    Sie ließ ihm einen Moment Zeit, bis sie wieder seine Hand ergriff.
    »Tut mir leid«, sagte Jude.
    »Das braucht es nicht.« Alex schaute sich um. »Lass uns einen Platz suchen, wo wir uns hinsetzen und eine Tasse Kaffee trinken können.«
    »Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte er.
    »Nein, ist es nicht.«
    Sie ermutigte ihn, über die Straße und in das elegante Grand Hotel zu gehen.
    »Es ist schön da drinnen«, erklärte sie ihm, als er auf dem Bürgersteig zögerte. »Sehr beruhigend, keineswegs muffig oder pompös.« Sie traten ein und stiegen die Stufen hinauf ins Foyer. Dabei kamen sie an den zwei dunkelgrauen Marmorsäulen vorbei, die man – wie Alex’ Mutter bei ihrem Besuch bemerkt hatte – täuschend echt den alten Säulen nachgebildet hatte, die 1984 dem berüchtigten Bombenanschlag zum Opfer gefallen waren.
    Als sie es sich in zwei alten Sesseln in der Victoria Lounge bequem gemacht hatten und Alex Kaffee für sich und einen Jameson für Jude bestellt hatte, bekam sein Gesicht wieder eine normale Farbe.
    »Ich würde das gerne erklären«, sagte er, »aber der Ort hier ist einfach zu schön für eine so hässliche Geschichte.«
    »Der Ort ist egal«, entgegnete Alex. »Ob du mir irgendetwas erklärst, liegt einzig und allein bei dir.«
    Jude wartete so lange, bis sie ihren Kaffee hatte; dann trank er einen kräftigen Schluck von seinem Whiskey und erzählte ihr, wie sein Stiefvater ihn mit den offenen Särgen seiner Mutter und seines Bruders allein gelassen hatte.
    »Seitdem habe ich eine Phobie, was Särge betrifft.«
    »Das ist wohl kaum überraschend«, sagte Alex, entsetzt über Steve Ritchies Grausamkeit.
    »Du würdest staunen, in wie vielen Filmen und Fernsehsendungen Särge vorkommen.« Jude war darüber hinweg, sein Gesicht voller Scham. »Meine Reflexe sind allerdings ziemlich gut. Normalerweise mache ich schnell genug die Augen zu – so vermeide ich, vor Schreck aus dem Sessel zu springen.«
    »Aber einen echten Sarg zu sehen, ist dann doch ein bisschen viel.«
    Er nickte. »Eigentlich bemerkenswert, dass das Bild nach so vielen Jahren noch eine solche Macht über mich hat.«
    Einen Augenblick schwiegen sie.
    »Was ist mit dir?«, fragte Jude dann. »Hast du auch Phobien? Oder bist du völlig im Reinen mit dir?«
    Alex lächelte. »Ich hoffe nicht, dass ich Phobien habe.« Sie dachte nach. »Enge Räume sind nicht mein Ding. Gott sei Dank leide ich nicht unter Klaustrophobie, aber es kostet mich trotzdem jedes Mal Überwindung, in einen überfüllten Lift zu steigen. Und wenn ich in London bin, meide ich die U-Bahn, wann immer es geht. Ich bin auch noch nie in den Eurostar gestiegen, obwohl ich neugierig darauf bin.« Sie

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