Zwei an Einem Tag
Der Form halber hielt er es trotzdem für angebracht, zu widersprechen.
»Aber du bist doch Studentin, Em!«
»Jetzt nicht mehr. Ich bin jetzt eine richtige Lehrerin! Ich hatte heute mein erstes Vorstellungsgespräch.«
»Und, wie ist es gelaufen?«
»Super, echt gut!«
»Herzlichen Glückwunsch, Em, das ist fantastisch«, und er beugte sich schell vor, um sie auf eine, nein, beide, nein, Moment, nur eine, nein, okay, doch beide Wangen zu küssen.
Die Speisekarte war zuvor auf humoristisches Potenzial abgecheckt worden, und während Emma sich zu konzentrieren versuchte, schlüpfte Ian in seine Rolle und ging ein paar der auserleseneren Pointen durch: Benutzt man Panna cotta nicht für Blumenkübel? Der gegrillte Seebarsch bot Gelegenheit, den Witz über den Kellner anzubringen, der den Gast fragt, ob er Barsch bestellt hat, und der Gast erwidert, nein, nett und freundlich; und wenn das Fünf-Minuten-Steak nach fünf Minuten fertig gebraten war, wie lange brauchten sie dann für die Tagessuppe? Und wann war aus den guten, alten Spaghetti Bolognese »Ragu« geworden? Und wie, spekulierte er, würden sie hier wohl Buchstabensuppe nennen? Alphabetische Teigwaren in einer Consommé vom Huhn? Oder wie? Während ein Gag den nächsten jagte, schwanden Emmas Hoffnungen auf einen angenehmen Abend.
Er versucht mich ins Bett zu witzeln, dachte sie, dabei kalauert er mich in die U-Bahn nach Hause. Damals im Kino hatten ihn die M&Ms und die Gewalt etwas abgelenkt, aber hier, unter vier Augen, blieb nur sein zwanghaftes Monologisieren. Emma erlebte das oft. Die Typen aus den Lehramtsseminaren waren alle halbprofessionelle Komiker, besonders im Pub nach ein paar Bier, und obwohl es sie nervte, war ihr bewusst, dass sie sie wie alle Mädchen ermutigte, grinsend dasaß, während die Jungs Streichholztricks vorführten, über Kindersendungen oder Süßigkeiten, die kürzlich umbenannt wurden, vom Leder zogen. Die Raider-heißt-jetzt-Twix-Krankheit, die nervtötende Kleinkunstnummer von Jungs im Pub.
Sie stürzte den Wodka hinunter. Ian nahm sich jetzt die Weinkarte vor und brachte eine Nummer darüber, wie versnobt Wein ist: eine vollmundige Waldbrandnote mit einem Hauch von Bratapfel im Abgang usw. Die Masche gehörte zum Standardrepertoire von Möchtegern-Comedians und konnte sich potenziell endlos hinziehen, und Emma versuchte sich hypothetisch einen Mann vorzustellen, ein Fabelwesen, der kein großes Tamtam machte, sich einfach nur die Weinkarte anschaute und bestellte, unprätentiös, aber mit Autorität.
»… ein Hauch von Schinkenkäsebällchen mit kraftvollem Giraffenaroma …«
Er kalauert mich noch ins Koma, dachte sie. Ich könnte ja meutern, ihn mit Brötchen bewerfen, aber er hat alle aufgegessen. Sie sah sich die anderen Gäste an, überall bot sich das gleiche Bild, und sie dachte, ist das alles, worauf es hinausläuft? Ist romantische Liebe nichts als eine Talentshow? Essen gehen, ins Bett hüpfen, verlieb dich in mich, und ich verspreche dir, von jetzt an kriegst du ständig solche Eins-a-Pointen zu hören?
»… stell dir mal vor, sie würden Lagerbier so bewerben?« Mit Glasgower Akzent: »Unser Spezialbräu liegt schwer am Gaumen, mit einem starken Nachgeschmack von Sozialwohnung, altem Einkaufswagen und Verwahrlosung. Passt hervorragend zu häuslicher Gewalt …!«
Sie fragte sich, wie der Irrglaube entstanden war, witzige Männer wären unwiderstehlich; Cathy verzehrt sich nicht nach Heathcliff, weil er ein Scherzkeks ist, und das Ärgerlichste an dem Redeschwall war, dass sie Ian eigentlich gern mochte, große Hoffnungen in den Abend gesetzt hatte und sogar ein bisschen aufgeregt gewesen war, aber er sagte: »… unser Orangensaft schmeckt nach Orange mit einem dominanten Apfelsinenbukett …«
Okay, das reicht jetzt.
»… gemolken, nein, aus dem Euter gestreichelt , weist der 98er-Milch-Jahrgang eine milchige Färbung auf …«
»Ian?«
»Ja?«
»Halt die Klappe, okay?«
Sie schwiegen, Ian sah verletzt aus, und Emma war es peinlich. Musste am doppelten Wodka liegen. Um das Ganze zu überspielen, sagte sie laut: »Warum bestellen wir nicht den Valpolicella?«
Er schaute auf die Karte. »Da steht: Brombeeren und Vanille.«
»Vielleicht, weil der Wein nach Brombeeren und Vanille schmeckt?«
»Magst du Brombeeren und Vanille?«
»Und wie.«
Verstohlen warf er einen Blick auf den Preis. »Gut, dann nehmen wir den.«
Danach lief es, Gott sei Dank, besser.
Hi, Em. Ich bins nochmal. Ich weiß,
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