Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
Vom Netzwerk:
nichts Wirkliches, so gar nichts Fassbares. Es war einfach nur da wie das Summen einer Biene.
    So dauerte es geraume Zeit, bis ich begriff, dass die Kobaltbombe nunmehr angefangen hatte, ihre Strahlen abzugeben. Bewegungslos lag ich da. Es war gespenstisch. Ein unheimlicher Apparat schickte unheimliche Strahlen auf unheimliche Tumoren, und ich spürte nichts, es geschah im Grunde nichts. Wenn es wehgetan oder wenn es mich gerüttelt und geschüttelt hätte, wäre es wohl nur halb so entsetzlich gewesen. So aber lag eine tödliche Bedrohung in dem Spiel. Und es war ein Spiel, das wusste ich sofort, es war ein teuflisches Spiel …
    Der Teufel meiner Kindheit war ein schwarzer Wicht gewesen. Auf seiner Stirn prangten zwei Hörner, er hatte einen langen Schwanz und einen Pferdefuß, und somit war er auf Meilen erkennbar gewesen, wenn er kam, um mich in die Versuchung zu führen, eine Sünde zu begehen. Gottlob hatte ich diese Illusion dann schon früh verloren.
    Ich begriff, dass der Teufel auch hinter den Augen, den Worten oder den Taten eines an sich freundlichen Menschen verborgen sein konnte, und dass er manchmal überhaupt keine Gestalt, sondern nur eine Situation brauchte. Genau das war jetzt der Fall:
    Der Teufel trieb sein Spiel mit mir, das spürte ich von Anfang an. Er verwandelte die Hölle meiner kindlichen Albträume in den Bestrahlungsraum, ließ das Feuer die Gestalt der Kobaltbombe annehmen und schickte seine Großmutter, verkleidet als der ehrenwerte Professor Leppich, vorübergehend ein Häuschen weiter. Dann setzte er sich zu mir, dieser unverkennbare, beißende Geruch, der im ganzen Raum lag. Der Teufel forderte von mir, was er immer und von jedem forderte: die Seele. Das wurde mir gleich bei unserem ersten Zusammentreffen klar. Luzifer wollte, dass ich aufgab, und deshalb wollte er mit mir pokern, nicht nur während der Bestrahlung, sondern auch noch während der nachfolgenden zwei Stunden, die ich in einem kleinen angrenzenden Raum verbrachte, wo ich mich ausruhen sollte. Als ich mich weigerte, die gezinkten Karten auch nur anzufassen, strafte Satan mich mit Depressionen. Ich fühlte mich radioaktiv verseucht, und ich weinte, weil niemand zu mir kam, niemand mit mir sprach, niemand mich berührte. Bei der zweiten Bestrahlung war es dann ein Knobelbecher, den Beelzebub mir unter die Nase hielt. Er wollte mit mir um die Wette würfeln, und als ich auch dazu nicht bereit war, verweilte er den ganzen restlichen Tag bei mir. Er setzte sich an meine Bettkante und ließ mich todmüde von einem Albtraum in den nächsten gleiten. Dann kam die dritte Bestrahlung, und diesmal waren es nur ein paar Streichhölzer, die Satan in seinen stinkenden Händen hielt. Ein einziges davon wäre kürzer als all die anderen, erklärte er mir, und nur, wenn ich ausgerechnet dieses zöge, hätte er gewonnen. Ich traute ihm nicht und erwiderte, er könnte sich seine Streichhölzer sonst wohin stecken, worauf er mir drohte. »Entweder du spielst mein Spiel, Evalein … oder …«
    Ich spielte sein Spiel nicht, und so übergoss er mich mit dem siedenden Pech, dem tödlichen Inhalt seines Töpfchens, dem Kobalt-60.
    Wenige Stunden nach meiner dritten Bestrahlung wurde mir schlecht, und ich musste mich übergeben. Dann hatte ich plötzlich das Gefühl, als würde der Boden unter mir schwanken, als kämen die Wände mir entgegen, als trügen meine Beine mich nicht mehr, und auch mein Kopf schien auf einmal nicht mehr mit meinem Rumpf verbunden zu sein, denn er fiel von rechts nach links und von vorn nach hinten, ohne dass ich es steuern konnte. Vor meinen Augen flimmerte es, in meinen Ohren rauschte es …
    »Das nennt man Strahlenkoller«, erklärten mir meine Ärzte. »Das ist halb so wild, Eva!«
    Ich glaubte kein Wort davon. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass das, was sich da Strahlenkoller nannte, »halb so wild« sein sollte, denn es war von Stunde zu Stunde weniger zu ertragen. Die Übelkeit wollte bald gar nicht mehr vergehen, sodass ich ohne Unterlass erbrach. Dann bekam ich auch noch Gleichgewichtsstörungen.
    Wenn ich mit weichen Knien an der Toilettentür stand, mein Bett anvisierte und geradewegs darauf zusteuern wollte, fand ich mich entweder im nächsten Moment in der Zimmerecke wieder, oder ich schoss gar mit beängstigender Zielsicherheit auf das Fenster zu. Solange ich das noch bemerkte, kam ich einigermaßen damit zurecht. Eines schönen Tages klemmte ich dann aber irgendwo zwischen Nachttisch und

Weitere Kostenlose Bücher