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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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dann, wenn sie es aufgeschrieben hatten, festzustellen, dass sie Papier und Mühe verschwendet hatten. Trotzdem kam ich lange damit durch, zumindest so lange, wie ich auf der Intensivstation lag. Wer augenscheinlich intensiver Pflege bedurfte, wurde nun mal mit vielem verschont, auch mit unbequemen Fragen.
    Auf S 1 war es dann jedoch vorbei mit der Rücksicht. Dort hatten es nämlich nicht nur die Fremden, sondern auch die Bekannten auf mich abgesehen. Außer Daniela, die sich dem Reigen der Neugier als Einzige nicht anschloss, quälten sie mich bis aufs Blut: Professor Mennert, Doktor Behringer, Helma oder Gertrud, keiner von ihnen scheute sich, mich mindestens zehnmal pro Tag auf mein vorübergehendes Dahinscheiden anzusprechen, und sie wären mir mit ihrer Fragerei vermutlich noch aufs stille Örtchen gefolgt, wenn ich da nicht den buchstäblichen Riegel vorgeschoben hätte.
    »Wie war das, Eva?«
    »Kein Kommentar!«
    »Stimmt es, Eva, dass …«
    »Jenseits dieses Diesseits –«
    »Warum erzählen Sie uns nicht, was da war, Eva?«
    »Weil …«
    »Warum nicht?«
    »Weil …«
    »Warum schweigen Sie?«
    Ich hatte meine Gründe, aber nicht einmal die wagte ich zu nennen. Das hatte nichts mit Sturheit zu tun, eher mit Skepsis gegenüber meiner eigenen Person. Bevor ich reden konnte, musste ich meines Erachtens erst noch ein paar wesentliche Dinge klarstellen. Ich musste herausfinden, ob meine Jenseits-Träume nicht vielleicht nur Schäume gewesen waren, und dazu brauchte ich die Hilfe meiner Eltern.
    Es vergingen fast sechsunddreißig Stunden, bis ich endlich Gelegenheit hatte, in Ruhe mit ihnen zu sprechen. Bis dahin hatte man mein Bett belagert, als wäre ich ein Popstar.
    »Sauerei!«, nannte mein Vater das. »Uns hat man erst gesagt, was passiert ist, als längst schon keine Gefahr mehr bestand, und jetzt im Nachhinein so ein Theater darum zu machen, ist eine Sauerei!«
    »Aber Ernst!«, wandte meine Mutter in alter Gewohnheit ein.
    »Das musste gesagt werden!«
    »Nun hast du es ja gesagt. – Und was hast du so Wichtiges mit uns zu bereden, Eva?«
    Meine Mutter schien ernsthaft gespannt zu sein, aber das legte sich, nachdem ich ihr die erste Frage gestellt hatte.
    »Sag mal«, wollte ich nämlich von ihr wissen, »hast du mich damals, als dein Vater starb, eigentlich ins Krankenhaus mitgenommen?«
    »Nein!«, antwortete mein Vater für sie. »Du warst ja noch so klein, und ich war dagegen.«
    »Mama?«
    Meine Mutter schluckte. Sie saß auf ihrem Stuhl wie ein ganz, ganz armes Sünderlein, und als sie mir endlich antwortete, sprach sie so leise, dass ich es kaum verstehen konnte.
    »Nun ja …«, flüsterte sie, »… ich … ich … er wollte dich so gern noch einmal sehen, und ich dachte mir … weil du ja eben noch so klein warst …«
    Mein Vater räusperte sich. »Du hast Eva mitgenommen, Elisabeth?«
    »… Ja, Ernst …«
    Die beiden tauschten einen typischen Ehepaarblick, und ich, ich versuchte durchzuatmen, ruhig zu bleiben, nachzudenken.
    »… Das würde ja bedeuten …«
    »Was, Eva?«
    »Was würde das bedeuten, Kind?«
    Meine Eltern waren ganz Ohr.
    »… Ich habe das während des Herzstillstands genau gesehen«, erklärte ich ihnen. »Ich sah, wie Opa seine Arme nach mir ausstreckte, und dabei sagte er etwas …«
    »Lass sie mich noch einmal halten, hat er gesagt – und dann bring sie niemals wieder her!«
    Meine Mutter war den Tränen nahe, was mein Vater fassungslos zur Kenntnis nahm. Er machte ein Gesicht, als wäre er überzeugt, der einzig Normale unter lauter Irren zu sein.
    »Daran willst du dich erinnert haben?«, fuhr er mich an. »Das ist doch fast zwanzig Jahre her, du warst noch ein Baby.«
    »Ich habe mich ja sogar an meine Geburt erinnert«, erwiderte ich, »ich habe sie noch einmal erlebt.«
    »Du bist verrückt!«
    »Bin ich nicht! – Es war ganz entsetzlich«, sagte ich zu meiner Mutter, weil ich hoffte, zumindest sie würde mich ernst nehmen. »Ich kam mir völlig verlassen vor, so, als hätte man mich im Stich gelassen, als müsste ich es ganz allein schaffen, da herauszukommen. Und ich habe es ja auch geschafft. Und Onkel Hans, der … ich habe sein Gesicht ganz deutlich gesehen, er … er war entsetzt, er … ich meine …«
    Das Wort blieb mir im Halse stecken, denn meine Mutter sprang plötzlich auf, um mir mit der Handfläche über die Stirn zu fahren. Als ich noch ein Kind gewesen war, hatte sie das immer getan, wenn sie feststellen wollte, ob ich vielleicht Fieber

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