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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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als Institution anging, waren wir beide der gleichen Meinung. Das bekam an einem verregneten Mittwochnachmittag Herr Pfarrer Lossmann deutlich zu spüren. Er war der evangelische Krankenhaus-Seelsorger, etwa fünfzig Jahre alt, nicht gerade groß, alles andere als schlank, rosa wie ein Schweinchen, kurz: die Feistheit in Person. Seine Stimme klang wie das monotone Rattern einer Lokomotive, der nach jeder Umdrehung der Dampf auszugehen droht. Das war eine Berufskrankheit. Lossmann hatte ein klassisches Kanzelorgan. Er redete viel, sehr viel sogar, aber was da aus ihm herausquoll, stand bereits seit Jahrhunderten geschrieben. Matthäus hatte es schon gewusst, Markus erst recht, Lukas auch, von Johannes ganz zu schweigen.
    Lossmann hatte die Bibel gelesen und bildete sich ein, sie verstanden zu haben. Irgendetwas hatte er bestimmt auch verstanden. Statt dafür dankbar zu sein, führte er sich auf wie ein Politiker, der sein Wahlprogramm an die Massen bringen will. Er verkaufte mir seine Erkenntnisse als den Stein der Weisen, und das ärgerte mich so sehr, dass ich ihn hinauswarf.
    Claudia fand das herrlich. Sie spendete mir Applaus und befand, ich wäre ja wohl doch »ganz in Ordnung«.
    »Hattest du daran gezweifelt?«, fragte ich.
    »Na ja … manchma tuse so, als wärse wat Besseret, Evken. Bis ebent noch nix gewöhnt im Leben, has noch nix mitgemacht.«
    Das sollte sich bald ändern. Anfang Mai zeigte mir die Chemotherapie, die ich nur mehr für eine Formsache gehalten hatte, nachhaltig ihre Krallen. Es begann mit Übelkeit. Nichts konnte ich bei mir behalten, und ob der Magen voll war oder leer, ich musste würgen. Das war so entsetzlich, dass man beschloss, mich vorübergehend künstlich zu ernähren. Leider war auch das keine Lösung, ich vertrug nämlich den Kalorientropf nicht.
    Die »Pulle«, wie er bei uns hieß, bestand aus einer gelben Flüssigkeit, deren Anblick mich schon zur Brechschale greifen ließ. Sickerten dann die ersten gelben Köpfchen in meine Venen, war es endgültig um mich geschehen. Mein Magen wogte wie eine Jolle auf offener See, und ich spie gelbe Springfluten, denen nur noch mit Eimern und Aufnehmern beizukommen war.
    Als Nächstes versuchte man, mir mit einer Magensonde Linderung zu verschaffen. Die drückte dann in meiner Nase und kratzte in meinem Hals, aber die Übelkeit ließ nicht nach. Das trieb mich schon bald zur Verzweiflung. Mein Körper machte plötzlich, was er wollte. Er war nicht mehr mir, ich war ihm ausgeliefert. »Mein Gott«, weinte ich mich bei meinen Eltern aus, »ich war doch nie ein verzärteltes Zuckerpüppchen. Trotz Muskelzerrung habe ich gearbeitet, trotz blutender Zehen, trotz Fieber. Warum halte ich das hier denn nicht aus? Warum gehorcht mir dieser Körper nicht mehr?«
    Ihnen fiel darauf ebenso wenig eine Antwort ein wie mir, aber sie beschlossen vorsorglich, mich erst einmal zu kritisieren. Man konnte ja nie wissen!
    »Du darfst nicht so viel in dich hineinhorchen«, meinte Mama, und Papa fügte hinzu: »Du musst dich ablenken!«
    »Wir machen das schon!«
    Sie schenkten mir aufmunternde Bücher, fröhliche Musikkassetten und sogar einen eigenen Fernsehapparat.
    So sehr ich all diese Bemühungen zu schätzen wusste, so wenig halfen sie mir. Mein Zustand verschlechterte sich mit jedem Atemzug. Mein Körper wurde immer mehr zu einem Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen mehr gab. Meine Leber schwoll so sehr an, dass ich das Gefühl hatte, das Bauchfell müsste reißen, der Nabel aufplatzen. Blase und Darm hörten einfach auf zu arbeiten und waren nur noch mittels Katheter bzw. Rohr zu überlisten.
    Das war äußerst unangenehm, aber verglichen mit meinen Herzschmerzen waren dieser brennende Blasenkatheter und dieses kneifende Darmrohr nichtige Kinkerlitzchen. Mein Herz tat mörderisch weh, es tat so weh, dass ich die einzelnen Vorgänge genau spüren konnte. Die Kammern füllten sich, sie kontrahierten, sie erschlafften. Die Taschenklappen schlossen und öffneten sich, die Vorhöfe kontrahierten, erschlafften und füllten sich, die Segelklappen waren voll geöffnet, geschlossen, leicht geöffnet. Ich spürte jedes Detail, und dabei krampfte sich mein Körper jedes Mal zusammen, das Blut schien stillzustehen, und ich war sicher, jetzt wäre es vorüber, jetzt … aber es war nicht vorüber, es ging weiter.
    Gerade in dieser Zeit versuchte ich, im Gebet Ruhe und Frieden zu finden. Ich bat Gott um Geduld und um die Kraft, all diese körperlichen Qualen zu

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