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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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zwischen Karin und Claudia ein erregtes Wortgefecht mit ebenso viel Schimpfwörtern wie Bibelzitaten. Ich nahm die Stricknadel, platzierte sie genau über meinem Bauchnabel und – stach zu. Beim ersten Mal bedurfte es dazu enormer Überwindung, dann stellte ich jedoch fest, dass es nur unwesentlich schmerzte, dafür aber eine unsagbare Wirkung hatte. Ich blutete fürchterlich.
    Da sich dieser Akt der Selbstzerstörung unter der Bettdecke abspielte, bemerkte zunächst niemand etwas. Leidenschaftlich und bedingungslos ergab ich mich meiner eigenen Vernichtung. Dabei verklärten sich meine Gesichtszüge wohl so sehr, dass es Claudia schließlich dämmerte. Sie sprang aus dem Bett, schob Karin Ortmann schnöde beiseite und riss mir die Bettdecke weg.
    »Sach ma, du hasse ja wo nich mehr alle!«, kreischte sie, und Karin fügte hinzu: »Oh je, oh je, oh Jesus Christus!«
    »Du halt dat Maul!«, brüllte Claudia. »Mensch, Eva, has du nen Knall? Du gehörs wo inne Zwangsjacke, wie? Inne Gummizelle!, du has ne totale Macke! Ich … ach!!!«
    Sie warf mir die Bettdecke über den Kopf und läutete nach Professor Mennert. Dabei erklärte sie mir, sie hätte sich mein dämliches Geschwafel nun lange genug angehört, hätte es aber, weil es so unheimlich dämlich gewesen wäre, nie ernst genommen. Jetzt sähe das natürlich alles anders aus, denn jetzt wüsste sie, dass ich noch wesentlich bescheuerter wäre als der »Scheiß«, den ich von mir gäbe.
    Professor Mennert war nicht minder erregt, als er sah, was ich getan hatte. Er versorgte die Wunden, die ich mir beigebracht hatte, und dann sah er mich fest an.
    »Wären Sie mal so lieb und würden sich einen Moment aufsetzen, Eva?«
    Mürrisch tat ich ihm den Gefallen.
    »Und dann schauen Sie bitte mal geradeaus, genau auf die Türklinke …!«
    Ich wusste nicht, was das sollte, aber ich gehorchte. Im gleichen Augenblick verpasste Mennert mir eine Ohrfeige, dass ich glaubte, die Engel im Himmel zu hören.
    »So!«, sagte er dann. »Es steht Ihnen jetzt frei, sich darüber zu beschweren, aber vorher lassen Sie sich bitte noch sagen, was ich von Ihnen halte: In meinen Augen sind Sie ein verantwortungsloses, bösartiges und undankbares Biest. Und eines kann ich Ihnen versichern, Eva Martin, wenn so etwas noch einmal vorkommt, dann erleben Sie Ihr blaues Wunder, darauf können Sie sich verlassen.«
    »Weiße wat«, sagte Claudia eines Tages zu mir, »du bis auf en ganz falschen Dampfer.«
    »Bin ich nicht«, erwiderte ich.
    »Bisse doch …!«
    Sie kletterte bedächtig aus ihrem Bett und setzte sich zu mir.
    »Rutsch ma, Evken, los!«
    »Wieso denn! Was hast du vor?«
    »Ich werd dir jez ma wat verklickern.«
    »Ach …«
    Claudia ließ sich jedoch nicht beirren. Sie hob den Zeigefinger wie ein strenger Religionslehrer und sah mir fest in die Augen.
    »Und nu gib ma Obacht!«, sagte sie dann. »Dat is nämlich so: Wo ich noch gesund wa, Evken, da wa ich geil auf allet Schöne …«
    Ich lauschte ergriffen, denn zum Großteil war mir das, was Claudia da erzählte, völlig neu. Sie sprach von ihrem früheren Leben, von schicken Kleidern und von Malerei, von teurer Kosmetik und von Puccini-Opern.
    »… wat Schäbiget wollt ich nich sehn, Eva, aber dat will da draußen ja keiner sehn, und deshalb is dat ga nich aufgefalln. Bloß wo ich plötzlich selber schäbbig wa, is et mir aufgefalln, weil … da wollten die andern mich nich mehr sehn. Mmh?«
    Ich nickte, denn mir war es im Grunde ebenso ergangen. Kaum jemand kam jetzt noch über meine Schwelle, und wenn sich doch noch mal jemand hierher verlief, dann nur, um mir mitzuteilen, dass er fortan aus dem einen oder anderen Grund nicht wiederkommen würde.
    »Dat darfse dat Pack aber nich übel nehmen«, fuhr Claudia fort. »Dat is da draußen nu ma so. Da draußen, da sind se stark und schön und vor allet sind se optemistisch. Mit so unangenehme Dinge wie Krankheit und Sterben wolln die nich belästigt werden. Un deshalb wolln se unsereinen nich! Oder hasse da draußen scho ma einen mit Hautkrebs gesehn?«
    Ich überlegte einen Moment. »Nein!«, sagte ich dann.
    »Oder mit en gelähmtet Gesicht?«
    »Nein!«
    »Kannse da draußen auch nich sehn, Eva, weil die nämlich alle hier drin sind, in Haus zwei, hinter Gitter.«
    Ich war entsetzt. »Aber –«
    »Nix Aber !«, fiel Claudia mir gleich wieder ins Wort. »Dat is so. Wenn de da draußen nich innet System passt, musse wech!«
    Sie sagte das ohne jedwede Sentimentalität, und in

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