Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
ähneln, er hatte sich indes nie lebendiger gefühlt. Es bereitete ihm Mühe, Schlaf zu finden, da er den Kopf voller Pläne hatte. Pläne für die Möblierung des Cottages und für die neuen Ställe; hinzu gesellte sich die brennende Frage, ob der Duke of Morland ihm eine Stute verkaufen würde, die für einen Deckakt mit Osiris geeignet war. Zudem kreisten seine heimlichen Fantasien um Meredith.
Welche ihrer Körperzonen er gern streicheln und welche er küssen wollte. Welche Regionen sinnlicher aufbegehren würden, wenn er sie leckte …
Kaum dass er mit diesem reizvollen Bild in das Land der Träume abgedriftet war, wurde Rhys von einem lauten Geräusch aus dem Schlaf gerissen. Ein neues, ihm unbekanntes Geräusch.
Da war es wieder. Ein Lärm, als rieben Felsen knirschend aneinander oder als rasselten Ketten. Zu laut, um das Werk einer nächtlichen Kreatur zu sein.
Er erhob sich von seinem Nachtlager und schlurfte in die Ecke, wo eine alte Kiste stand. Er setzte einen gestiefelten Fuß auf die Kiste, umklammerte mit den Händen die Mauerkrone und zog sich an der lehmgezimmerten Wand hoch. Dann tastete er mit Blicken die Dunkelheit ab. Ihm fiel nichts Ungewöhnliches ins Auge, gleichwohl erreichte der Lärm erneut seine Ohren. Dieses Mal klang es mehr wie ein entferntes Poltern. War das ein unmenschliches Heulen oder der Wind, der ihn zu narren suchte?
Schließlich drehte er den Kopf in Richtung Anhöhe und blickte zu den Ruinen von Nethermoor Hall hinauf, die schemenhaft aus dem Nebel ragten. Er gewahrte einen dünnen Streifen weißen Lichts, der eilig über den Kamm des Hügels hüpfte, bevor er wieder verschwand.
Mit einem schroffen Grummeln ließ Rhys die Mauerkante los. Kaum trafen seine Stiefel auf den Boden, setzte er sich in Bewegung. Höchstwahrscheinlich war es nichts weiter als der heulende Wind und watteweicher Nebel, vielleicht waren es auch ein paar Fledermäuse, die dort oben ihr Unwesen trieben. An Schlaf war indes nicht mehr zu denken, solange er sich nicht Gewissheit verschafft hatte.
Mit langen Schritten eilte er über den felsigen Untergrund, bald hatte er die Anhöhe erklommen. Sein Blick auf die Ruinen war jetzt unversperrt, zumindest war er nicht länger von Felsen verstellt. Feine Nebelfäden sponnen sich über das Gelände, waberten durch die verfallenen Torbögen, kräuselten sich aus dem einzig erhaltenen Kamin.
»Hallo!«, rief er, sobald er die Mauerreste des ausgebrannten Herrenhauses erreichte. »Ist da jemand?«
Keine Antwort. Nicht dass er eine erwartet hätte.
Dann sah er es wieder – das Licht. Trudelnd und tanzend im Nebel wie ein unheilvoller kleiner Pixi, ein Kobold. Der Anblick hätte genügt, um die meisten Moorbewohner zu einer überstürzten Flucht in ihre kleinen schiefergedeckten Hütten zu bewegen. Lokale Legenden berichteten davon, dass so mancher einfältige Bursche von Pixis in die Irre gelockt worden sei.
Rhys hingegen glaubte weder an Kobolde noch an Geister. Wenn jemand ihn zum Narren hielt, dann war es der Nebel. Oder vielleicht seine Erinnerung. Hier oben lauerte eine Vielzahl böser Erinnerungen.
In gebückter Haltung stemmte er seinen Körper durch ein halb verfallenes Fenster in die Ruine. Angesichts des milchig trüben Mondscheins wünschte er sich, er hätte eine Fackel mitgenommen. Im Innern der alten Mauern war es noch dunkler, als saugten die dicken Steine das Mondlicht auf, um es zu verschlucken.
Von einem weiteren Lichtblitz gefesselt, betrat er einen beinahe intakten Korridor. Er durchforschte sein Gedächtnis vergeblich nach einer Erinnerung an diesen Gang. Er war lang und eng, ohne Türen, die davon abzweigten, bis auf die zwei am Ende. Vermutlich hatten diese Türen das Haupthaus mit dem Dienstbotentrakt verbunden. Er war noch nie hier gewesen, hatte nie auf gutem Fuß mit dem Gesinde gestanden. Mit Ausnahme von George Lane hatte er nur das Nötigste mit den Dienstboten gesprochen. Wenn sie ihn nicht kannten oder ihn nicht mochten, hatte seine jungenhafte Logik argumentiert, würden sie keine unbequemen Fragen stellen oder sich in seine Geschicke einzumischen versuchen.
Unvermittelt frischte der Wind auf, toste durch den engen Gang mit einem fast menschlich klingenden Schrei. Rhys beschleunigte seine Schritte, angespornt von dem eisigen Biss des Windes in seinem Nacken.
Er stolperte halb über einen Felsbrocken und fluchte. Wieso ließ er sich von diesem Ort schrecken? War letztlich nicht sein Geist derjenige, der an diesem Ort
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