Zwei Toechter auf Pump
erst Kulleraugen, aber dann begriffen sie und begannen Betten zu bauen. Jérôme murmelte sogar was davon, daß er der netten alten Dame Konfekt schicken wollte. Ich bin dann noch mal bei der Omi oben gewesen. Sie hatte schon wieder eine Schürze um und sah ganz enttäuscht aus.«
»Na, dann wollen wir mal weiter frühstücken«, erkläre ich. »Auf jeden Fall hast du das großartig gemacht, Margot.«
Wir knien uns in Toast, Butter und Marmelade, schlürfen laut den Kaffee und blinzeln in die graue Helle draußen. Keiner spricht ein Wort. Es ist urgemütlich. Dann klingelt draußen ein Fahrrad. Susanne ist mit einem Ruck hoch, aber ich bekomme sie am Arm zu fassen und ziehe sie wieder auf den Stuhl: »Du bleibst schön sitzen. Ich sehe nach.«
Es ist Thomas. Er hat sein reichlich dünnes Mäntelchen dicht um sich gezogen und ganz blaue Hände. Ob es den jungen Damen gut gehe und ob es ihnen bekommen sei. Es gehe ihnen gut und sei ihnen prachtvoll bekommen, erkläre ich. So prachtvoll, daß sie mindestens bis nach dem Mittagessen allein und ungestört bleiben möchten.
»Susanne auch?« fragt er verblüfft.
»Susanne ganz besonders.«
Ja, dann wolle er bloß noch sagen, daß es dem Fred auch ganz gut gehe, nur das Auge sei noch ganz zu, und er müsse Umschläge machen. Ob ich das der Susanne bestellen würde?
»Mache ich. Befinden gut — Auge zu. Sonst noch was?«
Der Wind pfeift, er zupft den Kragen noch höher: Nein, das wäre alles, und vielen Dank. — Ich sehe mir sein gutes offenes Gesicht mit der dicken, roten Nase an. Irgend etwas, fühle ich, ist an der Situation nicht in Ordnung. Aber wenn ich ihn jetzt ‘reinlasse, geht er nicht wieder. Oder er geht, und fünf Minuten später ist die ganze Blase auch da. Und ich muß doch unbedingt die beiden Mädels erst auf Vordermann bringen! Aber er friert, der arme Kerl. Seine Mutter ist die Witwe des Dorfschneiders, und er verdient etwas dazu, indem er im Sommer Koffer für die Feriengäste trägt, Brötchen für die Bäckerei ausfährt und im Winter für die Villenbesitzer im Oberdorf Schnee schippt. Schnee schippt! Plötzlich fällt mir mein alter Wintermantel ein. Aber man muß vorsichtig sein mit solchen Geschenken. Menschen in dieser Situation haben eine dünne Haut über ihrem Stolz. Gerade die Anständigen.
»Hör mal zu, old man«, sage ich. »Willst du mir ‘n großen Gefallen tun?«
Er versichert erwartungsvoll, daß er es wolle.
»Dann schaufel mir die Garageneinfahrt frei. Ich mach’s ja sonst selbst, wie du weißt, aber ich verliere mit den Mädels jetzt soviel Zeit.« Ich zögere und gebe mir den Anschein von Verlegenheit: »Allerdings kann ich dir im Moment nichts zahlen. Bei Schriftstellern ist zwischendurch immer wieder mal Ebbe in der Kasse.«
Er versichert mit verständnisvollem Schmunzeln, daß er diesen Zustand kenne. Er sei bei ihm zu Hause sogar sozusagen Dauerzustand. Ich sollte mir deswegen nur nicht den Kopf zerbrechen.
Das täte ich aber ganz entschieden in diesem Fall, erkläre ich. Und da möchte ich ihm ein Geschäft vorschlagen. Ich könnte ihm statt der Bezahlung einen alten Wintermantel geben. Bei mir sei er nur im Wege, und wenn er ihn nicht selber behalten wolle, könne er ihn vielleicht verkaufen.
Er sieht mich mißtrauisch an. Als ich aber unverändert kummervoll aus der Wäsche gucke, entscheidet er offensichtlich, daß ich die Sache genauso meine, und wird ganz rot vor Aufregung. Das sei doch aber viel zuviel!
»Quatsch. Kein Mensch gibt einem heute was für alte Sachen. Komm gleich mit ‘rüber.«
»Ich will nur Fred und den anderen Bescheid sagen! Bin sofort wieder da!«
»In Ordnung.«
Den Mädels — die hinter den Scheiben geklebt haben — erkläre ich das Tagesprogramm und gehe dann zu mir hinüber. Die Mama öffnet, noch immer enttäuscht, daß sie ihre Glanzrolle >Greise Mutter schaufelt Dreck fremder Bildhauer< nicht hat spielen können: »Wird ja Zeit, daß der Herr auch mal wieder nach Hause findet!«
Ich küsse sie auf die Stirn: »Reines Raffinement meinerseits, Mulleken. Der verlorene Sohn steht doch höher im Kurs als zehn Gerechte — oder so ähnlich. Ist die Bande endlich weg?«
»Die Jeunesse dorée ist bereits abgeflattert, aber das alte Pony (Bildhauer Brandt mit Bert-Brecht-Frisur) rumort immer noch in Frauchens Zimmer. Vielleicht sucht er nach ihrem Schmuck. Geh mal ‘rein.«
»Den Schmuck hat sie mitgenommen, Pessi. Außerdem verdient der Kerl mit seinen durch die Mangel
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