Zwei Toechter auf Pump
Vögel. Das ist ja das Rebhuhnvolk, das seit Wochen immer an der gleichen Stelle einfällt. Wovon sie leben mögen, die kleinen Kerle? Als ich in unseren Weg einbiege, kommen mir der Reiserer-Franz und Thomas entgegen. »Alles aufgeräumt, Colonel!« meldet Thomas. Fast hätte ich ihn nicht erkannt, weil er meinen alten Mantel trägt. Der ist ihm an den Schultern etwas weit und unten viel zu lang. Aber er marschiert daher wie ein General. Der Franz, Hände in den Taschen und den Rücken in seiner kurzen Jacke krummgezogen, grinst mich an: »Kalt, wenn man wieder ‘rauskommt!« Und als es bei mir sichtbar nicht ganz zündet: »Susanne hat mich ‘reingeholt und mir einen Wein gegeben. Und getanzt haben wir auch. Ich bring’ ihr wieder Platten von mir, heute nachmittag.«
So heftig hätte der von mir anbefohlene Dank ja nun gar nicht ausfallen sollen. Dieses Susannchen!
Dann erscheint der Kopf der Mama am Fenster: »Ja, kommst du endlich? Es ist bald alles verbrannt, und der Magen hängt mir bis auf die Knie!«
10
Nach einem stumm verlaufenen Mittagessen erhebt sich die Mama in feuchter Küchenschürze vom Tisch: »Mahlzeit — Mönch!«
»Wieso Mönch?« fahre ich aus meinen Gedanken hoch. »Haben sich vielleicht einige Damen vom Kostümball über mich beschwert?«
»Das wohl kaum — aber ich komme mir vor wie im Trappistenkloster. Darf man vielleicht erfahren, worüber der Herr derart nachgrübeln, daß er sich den Himbeersaft vom Pudding auf den Leberkäse gegossen und das gar nicht bemerkt hat?«
»Doch, doch — gemerkt schon — es ist wegen der Sache mit Margot.« Verflixt noch mal, da habe ich es ja doch gesagt!
»Mit Margot?« Sie setzt sich wieder hin.
»Na, weil sie doch fest mit dem Buddy geht. Das ist erst gestern ‘rausgekommen...«
»...‘rausgekommen...«
»Ja, als ich Susanne zurückholte, die aus dem Fenster geklettert war.« (Nun ist schon alles egal!)
Ich blicke auf und sehe sie sitzen, die Augen aufgerissen, die Hand vor den Mund geschlagen: »Das ist ja entsetzlich!« In ihrer Stimme schwingt unhörbar die tiefe Genugtuung, daß nun endlich doch eine Katastrophe eingetreten ist, angesichts derer man in den düstersten Prognosen schwelgen kann. Sie steht abermals auf und nimmt Kurs auf ihr Zimmer.
»Die ganze Sache ist natürlich halb so wild«, sage ich lahm hinter ihr her. Sie antwortet nicht und erscheint dafür nach einigen Minuten heftigem Kramens und Stöhnens mit einem Telegrammformular, legt es vor mich hin: »Ich habe ungefähr gedacht: Sofort zurückkommen, beide Töchter gefährdet!«
»Du bist wahnsinnig. Ich will nicht, daß den beiden die paar Urlaubstage versaut werden. Außerdem müßte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht mit den Gören fertig würden, und drittens glaube ich, daß weder Margot noch Susanne ernsthaft gefährdet sind. Schließlich sind’s ja noch halbe Kinder.«
»Halbe Kinder! Heutzutage, mit siebzehn und achtzehn Jahren! Wo sie schon mit fünfzehn ausgewachsene Frauen sind, körperlich wenigstens! Dafür fehlt’s oben im Dachstübchen um so mehr.«
»Soll ich dir was sagen, Mulleken?«
»Na?«
»Ich glaube, daß im Grunde zwischen uns als Jugend und dieser hier nicht viel Unterschied ist. So — und nun sag mir, wie wir die beiden am besten bändigen.«
»Hm... ich würde sie ablenken. Mit irgendwelchen anderen Themen. Wir sollten sie zum Beispiel heute nachmittag einladen, damit sie mal einen Augenblick von den Bengels weg sind. Vielleicht kommen sie dann zum Nachdenken.«
»Gar nicht schlecht, Mulleken, gar nicht schlecht. Ich werde sie einladen.«
Sie lächelt befriedigt über das Lob und ist dann sofort wieder in ihrer Lieblingsrolle: »Na, dann werde ich meine mürben Knochen in Bewegung setzen und einen Kuchen für diese Wänste backen. Die futtern ja wie die Heuschrecken. Wenn man das vom Konditor holen würde, gingen wir pleite.« Sie erhebt sich stöhnend: »Das hat mir gerade noch gefehlt! Als ob wir keine anderen Sorgen hätten.«
»Ich wüßte nicht, was ich ohne dich täte, mein Goldstück. Du solltest Jugendpsychologin werden!«
Sie schlägt mir die Küchentür vor der Nase zu und murmelt drinnen mit Lautstärke zehn, daß man es bis in den Keller hätte hören können: »Wüßte nicht, was ich täte! Psychologin — Goldstück — auch noch Ironie —, da schuftet man und schuftet von früh bis spät, was die alten Knochen nur hergeben...«
Ich steige lächelnd die Treppe hinunter: Sie wenigstens ist
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