Zwei Toechter auf Pump
ich wartete, bis der Richtige kam.«
Susanne blickt hilfesuchend ihre Schwester an: »Ei je, ei je!«
Margot wirft die Lippen auf: »Du wartest sicher nicht so lange.«
Die Mama schließt betäubt die Augen, schluckt, öffnet die Augen wieder: »Als meine Schwester schon verlobt war und ich noch nicht...«
»Entschuldige, Omi, daß Susanne dich unterbrochen hat«, sagt Margot.
»Ja, entschuldige bitte«, murmelt Susanne. »Was war denn der Bräutigam von deiner Schwester?«
»Forststudent! (Strenger Blick auf Susanne.) Damals fuhr ich mit ihr nach Tharandt, dort war die Forstakademie. Es waren sehr viele Studenten da, mit Mützen und Bändern, und wir waren jeden Tag auf irgendeinen Ball oder zu einer der vielen Verbindungen eingeladen.«
»Ach, himmlisch«, seufzt Susanne und sieht aus unbekannten Gründen ihre Schwester vorwurfsvoll an, als könne diese dafür, daß sie nicht auf den Wellen einer solch wildbewegten Männersee herumrudern kann.
»Es war sehr streng«, erklärt die Mama mit unüberhörbarem pädagogischem Unterton. »Die Herren waren sehr eifersüchtig auf die Ehre ihrer Damen. Wenn wir zum Beispiel von anderen Studenten etwas länger angeguckt wurden, stand der eigene Student auf, ging zu dem anderen ‘rüber, verbeugte sich steif und sagte: >Sie haben meine Dame fixiert, mein Herr!< Dann stand der andere Student auch auf und sagte: >Ich stehe zu Ihrer Verfügung!<
Und dann gingen sie ‘raus und tauschten ihre Visitenkarten aus, und manchmal ohrfeigte der eigene Student auch den anderen noch — und dann duellierten sie sich, manchmal sogar sine-sine.«
Susanne ist bis an den äußersten Stuhlrand gerutscht, ihre Augen erscheinen noch größer als gewöhnlich: »Sine-sine — was ist das?«
»Latein, du Rindvieh«, sagt Margot. »Das solltest du in den vier Jahren gelernt haben.«
»Ich kann mir mein Latein selber übersetzen, dazu brauche ich dich nicht. Ohne-ohne heißt es, aber was bedeutet es?«
»Ich werde mir merken, daß du dir dein Latein selber übersetzen kannst«, erklärt Margot giftig, worüber Susanne in sich zusammensinkt wie ein angeschossener Luftballon.
»Sine-sine«, erläutert die Mama, »bedeutet, daß sie sich ohne Schutzbandagen um den Hals und so mit ihren Säbeln schlugen, bis der eine umfiel oder sogar tot war.«
»Mein Gott, ist das aufregend!« seufzt Susanne.
»Es ist idiotisch«, meint Margot. »Wenn ich mit einem Mann auf einen Ball gehe, sollte er doch froh sein, wenn mich die anderen Männer auch nett finden und ansehen.«
Die Mama, durch Margots gesellschaftskritische Anmerkungen aus dem Konzept gekommen, bemüht sich, schleunigst weiterzuerzählen:
»Also, wir beiden Mädels hatten ein Zimmer im Hotel, hinten nach dem Hof ‘raus, und morgens kamen immer die Studenten und brachten uns Ständchen mit Gitarren und sangen dazu und manchmal auch abends. Dann schimpfte allerdings die Nebenmieterin, besonders weil Poldi dazu heulte.«
»Wer war Poldi?« will Margot wissen.
»Das war unser Dackel, den wir mitbekommen hatten, weil unsere Eltern nach Kissingen zur Kur fuhren, während wir die Studenten besuchten. Ein scheußlicher Hund. Er übergab sich aus reiner Bosheit und zu den unpassendsten Augenblicken. Zum Beispiel einmal, als unsere Tanzstundenherren bei unseren Eltern Besuch machten. Damals war das so Sitte (strenger Blick auf beide Mädchen). Die Herren kamen im Cut, mit Handschuhen und Zylinder. Die Zylinder stellten sie unter ihre Stühle und bekamen Vermouth mit Keksen. Während sie so saßen und tranken und die Großmama herauszufinden versuchte, ob vielleicht einer von ihnen eine gute Partie wäre, übergab sich Poldi unten in die Zylinder. In beide — er teilte sich’s ganz genau ein. Alle merkten es natürlich, aber keiner wollte es wahrhaben. Poldi, der ganz beleidigt war, weil niemand schimpfte, nahm sich noch einen der Handschuhe, verkroch sich unter die Kommode und geiferte von da vor. Die Herren zogen sich bald zurück, mit drei Handschuhen und zwei gefüllten Zylindern.«
Die beiden Mädchen quietschten vor Vergnügen, und die Mama sieht mich triumphierend an. Darm, als das Gelächter sich gelegt hat, fährt sie fort:
»An einem Abend nun, als wir dort in Tharandt schon im Bett waren, fiel es Poldi ein, groß ins Zimmer zu machen, obwohl wir vorher drei Stunden unterwegs gewesen waren — mit ihm und den Studenten. Wir hörten irgendwelche Geräusche, waren aber zu müde. Am nächsten Morgen merkten wir es dann. Gott sei
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