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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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und wischte seine Hand an der Hose ab. „Schwein“, erwiderte er. Horst und Otto starrten ihn ärgerlich an. „Pssst, verdammt noch mal! Stopf’ ihm seine verfluch te Nase mit Dreck zu, wenn er sich nicht beherrschen kann“, flüsterte Otto. Er war ein blasser, pferdegesichtiger Bursche mit gelben Zähnen und einer herunterlappenden Unterlippe.
    Die vier Männer lagen auf dem stacheligen Rasen am Ende eines bewaldeten, kleinen Hügels. Vor ihnen breiteten sich die weiten Rasenflächen von Charlottenburg aus. Hinter ihnen lag düster im Sternenlicht die dunkle Masse des Grunewalds. Weiter weg, auf einer der kurvenreichen Straßen, die durch das Unterholz führten, konnte der junge Mann die gelben Zwillingslampen eines Pferdewagens ausmachen, der sich langsam fortbewegte. Der See war unsichtbar in der Finsternis, die Segler waren bereits vor Stunden heimgegangen.
    Der junge Mann langweilte sich, außerdem war ihm kalt. Sie lagen jetzt bereits seit Stunden hier, ohne etwas zu essen außer einigen hartgekochten Eiern aus Ottos Rucksack.
    Wieder erschien ein Wagen, dann noch einer. Dann gab es nichts mehr zu sehen. Jetzt war die Umgebung nicht mehr mit der der Tageszeit zu vergleichen, wenn die Leute hinter den vereinzelten Linden Tennis spielten, Stalljungen Pferde trainierten und die Pferdewagen hin- und herfuhren. Einmal hatte es für kurze Zeit Aufregung gegeben, als Horst plötzlich „Hinlegen!“ flüsterte und sich selbst in die Blatter duckte, genau wie die anderen. Dann war eine weiße Maschine aufgetaucht, mit einem Mann darin, der einen Helm auf dem Kopf trug. Der Mann hatte scharf das unter ihm liegende Gelände einer näheren Untersuchung unterzogen, während seine Maschine in einer Höhe von fünfzehn Metern über der Rasenfläche dahingeschwebt war. Er hatte eine weiße Uniform getragen und einmal geradewegs zu ihnen hingesehen, ohne sie aber zu bemerken. Dann war die Maschine aus ihrer Sichtweite verschwunden.
    Die Fahrt vom Zentrum bis hierhin mit dem Pferdewagen war für den jungen Mann ebenfalls interessant gewesen, obwohl Horst ihm nicht erlaubt hatte, aus dem Fenster zu sehen. Das Pferd war nicht innerhalb des Wagens gewesen, wie es der junge Mann zunächst vermutet hatte, aber man konnte es riechen. Wie mutig mußten diese Leute sein, daß sie es wagten, derart nah an ein solch großes Tier heranzugehen. Warum hielten sie überhaupt Pferde, wenn sie Autos benutzen konnten?
    Der Pferdewagen hatte angehalten, und der Fahrer hatte irgend etwas gemurmelt, als sich die Türen öffneten und sie ausstiegen, um den Hügel hinaufzukrabbeln, um sich hinter den Bäumen zu verstecken, Staub und Sonnenlicht in den Nasen.
    Er wünschte daß Trudl hier wäre, um seine Fragen zu beantworten. Als Horst weggegangen war, hatten sie eine ganze Weile miteinander gesprochen, bis sie schließlich ärgerlich geworden war und ihn einen Dummkopf genannt hatte. Sie hatte ihm erzählt, daß Kiel ein mieser Ort sei, daß sie gerne tanzte und Bezique spielte und daß sie einmal einen Freund gehabt hatte, der einen Raubüberfall begangen hatte. Er überlegte sich diese Dinge sehr sorgfältig, denn man konnte schließlich nie wissen, wie sie ihm einmal nützlich sein konnten.
    Es war zu dumm; sie war sehr freundlich zu ihm gewesen, hatte ihn gebeten, nicht immer ‚Fräulein’ zu ihr zu sagen und hatte ganz nahe auf der Couch bei ihm gesessen, während sie mit der Puppe spielte. Später hatte sie ihm dann Dinge erzählt, die er nicht verstand. Zuerst schien seine Reaktion sie zu amüsieren, dann verlor sie die Geduld, was er nicht verstand. Es war wirklich zu dumm.
    Eine Anzahl von Lichtern flackerte am hinteren Teil des Hauses auf. Auf der Vorderseite erloschen sie. Der junge Mann sah interessiert zu und wartete darauf, daß etwas geschehen würde, aber es geschah nichts.
    Dann mußte er wieder niesen.
     
    Im geräumigen Erdgeschoß auf der Rückseite der Villa Oberkeller saß Geheimrat Werner Oberkeller an seinem grünen Bezique-Tisch, wie fast jeden Abend, wenn er zuhause war. Es waren noch einige seiner Freunde anwesend.
    Im Schein des roten Lichts leuchteten die Rückseiten der Spielkarten wie Juwelen gegen den grünen Tischbezug. Oberkeller streckte seine fette Hand aus und zog sie, einen Kartenstoß darin, wieder zurück. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. Es war ein merkwürdiges Gesicht: von den Backenknochen abwärts rosig, oberhalb von wächserner Blässe. In seinem grauen, langsam lichter werdenden Haar befanden

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