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Zweifel in Worten

Zweifel in Worten

Titel: Zweifel in Worten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Jaeger
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Mann vor mir steht? Er ist doch nun wirklich sehr nett anzusehen, und wie du sagtest, ebenso schwul wir ihr. Denkst du etwa nicht darüber nach, unter welcher Prämisse ihr überhaupt in Kontakt getreten seid?“
    Sam runzelte die Stirn. „Du meinst diese Annonce?“ Er seufzte. „Eine Schnapsidee war das, weil Jerome uns erzählt hatte, dass man so schnell sehen könnte, wie die Leute in einer Gay-Community ticken. Konnte doch keiner ahnen, dass nach all den dummen Mails mit Längen- und Durchmesserangaben so etwas Vernünftiges bei uns eintrudeln würde!“
    „Natürlich konnte man das! Es sind doch nicht alle homosexuellen Männer hirnlose Sexmaschinen! Und außerdem habt ihr oft genug herumfabuliert, wie es wäre, wenn sich ein paar vernünftige Kontakte aus so etwas entwickeln würden“, wies sie ihn zurecht.
    „Ja, stimmt schon, aber ... ich meine, du hast ihn doch gesehen! Wir hatten damit gerechnet, wenn wirklich einer anständig schreibt, ist er entweder uralt oder unattraktiv oder ... ach, keine Ahnung! Frank entspricht jedenfalls in keiner Weise dem, was wir erwartet oder einkalkuliert hatten!“
    „Und das macht dir Sorgen.“ Keine Frage. Helmi fragte bei so etwas nicht, sie beobachtete und zog Rückschlüsse. Und sie kannte Sam und Gabriel lange und gut genug, um zu wissen, dass hier etwas gänzlich anders als geplant lief.
    Sam atmete tief durch. „Nein, Sorgen nicht. Es verunsichert mich eher. Ich meine ... hallo? Ich und verunsichert! Das ist schon ein Widerspruch in sich!“, echauffierte er sich und Helmi lachte laut auf.
    „Klar, aber vielleicht ist Frank der Dämpfer, den deine stürmische Selbstsicherheit mal brauchte?“ Sie klang ironisch und Sam begriff einmal mehr, dass Helmi nicht einfach bloß eine Angestellte war. Sie war Mutterersatz, Freundin und ... oh, ganz klischeehaft, vielleicht so eine Art Schwulenmutti. Der Gedanke ließ ihn grinsen.
    „Helmi, ich will Frank helfen und dafür sorgen, dass er sich wieder auf andere einlassen kann, ich will ihn nicht in unser Bett zerren!“
    „Das würdest du auch nicht schaffen, Sammy, denn Frank ist mehr Jäger, als dir klar sein dürfte.“
    „Was?!“
    Helmi stellte nach einigen Wanderungen durch die Küche ein Tablett vor ihm ab, auf dem eine große Karaffe mit geeistem Tee und drei Gläser standen. „Wie wirkt er auf dich?“, fragte sie anstelle einer Antwort. „Also, welches Tier würdest du ihm zuordnen, das ihn und sein Verhalten umschreibt?“
    „Ein Schaf“, brummte Sam, weil es ihm spontan in den Kopf kam. Und ehrlich, es ärgerte ihn, dass Frank so harmlos und in sich gekehrt war, weil diese miesen Typen ihn vergewaltigt hatten. Er hatte es Helmi erzählt, weil sie einfach immer alles wusste und sie hundertprozentig vertrauenswürdig und verschwiegen war.
    Sie kicherte. „Ein Schaf? Sam, du solltest dringend an deiner Wahrnehmung arbeiten!“
    „Wieso? Er ist verschüchtert, traut sich nichts zu in Sachen andere Männer und hat Angst vor Nähe!“, verteidigte er seine Wahl.
    „Wenn du das wirklich denkst, werde ich dazu nichts mehr sagen. Und nun geh hinaus, bevor die zwei verdursten. Und vergiss das Buch nicht!“
    „Es liegt noch draußen auf der Liege.“ Sam nahm das Tablett und ging hinaus in den Garten. Schnell fand er seinen Lebensgefährten und den Bibliothekar an der aktuellen Baustelle. Beide lagen auf den Knien im Beet und alberten herum. Sam blieb in einiger Entfernung stehen und betrachtete die Rückansichten ausgiebig, bevor er näher trat und über Helmis Worte nachdachte. Was hatte sie gemeint?
    War Frank etwa nicht so? Verschüchtert und ängstlich?
    Nein, war er tatsächlich nicht! Er blödelte ungehemmt mit Gabriel herum. Sam trat noch näher und stellte das Tablett auf der langen Liegefläche des Gartenmöbels ab, auf dem er sich heute schon ungefähr fünfzigmal ausgestreckt hatte, nur um zehn Minuten später wieder aufzuspringen.
    „Erfrischungen!“, rief er dann wie ein Eisverkäufer am Strand und lachte, als beide zu ihm herumfuhren. In bedauerndem Ton fügte er hinzu: „Schade, eure Rückseiten anzugucken, hatte schon was!“
    Natürlich fing er sich dafür gleich wieder einen genervten Blick von Gabriel ein, aber Frank sprang auf und blieb erst direkt vor Sam stehen. Er blinzelte. Meine Güte! Helmi hatte recht, Frank war vieles, aber ganz sicher kein Schaf! Seine Bewegungen wirkten so zielgerichtet und anziehend, dass er hart schluckte. Ein Raubtier. Frank war zu einem Teil alles

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