Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
hierbleibe und darauf warte, zermalmt zu werden? Oder was auch immer .
Langsam stand Satan auf. Mit steifen Bewegungen. Ihr Gesicht war immer noch blau gefleckt, das Weiße ihrer Augen blutunterlaufen. Nein, ihre Augen füllten sich mit Blut. Nee, sie waren einfach nur rot. Das Weiße ihrer Augen war rot. Nein, so stimmte es auch nicht. Das Weiße und ihre Pupillen waren rot. Es war, als würde man von einem wütenden Bremslicht angestarrt. Ein Bremslicht mit einer Laufmasche in der Strumpfhose.
Und Satans Flügel waren zum Vorschein gekommen. Sie waren so rot wie ihre Bluse, purpurrot. Sie flatterten und halfen Satan offenbar, die Balance zu halten, während sie sich langsam aufrichtete. Riesig waren diese Schwingen! Sie setzten oberhalb des Nackens an und streiften mit ihren Spitzen fast den Boden.
Besonders merkwürdig fand ich, dass die Flügel und die neue, verbesserte Augenfarbe Satan nicht fremdartig wirken ließen, obwohl ich noch nie in meinem Leben etwas gesehen hatte, das dieser Kreatur gleichkam. Auf eine merkwürdige Weise wirkte sie echter, nachdem ihre Flügel zum Vorschein gekommen waren. Jetzt nämlich zeigte sich, dass ihr Kostüme und ihre Schuhe und die sorgfältig gelegten Haare die eigentliche Tarnung waren. Die Frau, die jetzt vor mir stand, war der wahre Luzifer.
Schon seltsam, so etwas Fremdartiges, Unvertrautes zu betrachten und dabei zu denken: Das ist sie! So sieht sie in ihrer wahren Gestalt aus!
Satans Farben erinnerten mich an Laura. Wenn meine kleine Schwester zornig war, veränderte sich ihre Haarfarbe von Blond zu Rot, und ihre Augen waren nicht länger blau, sondern giftgrün. Es war, als wären ihre Farben ein Lackmustest für ihren Grad an Zorn. Vielleicht hatte ich deswegen kaum Angst empfunden, als wir durch die Bibliothek in die Hölle gefallen waren und als ich am Ende auf dem Seziertisch des Gerichtsmediziners aufgewacht war. Denn Lauras Augen und Haare hatten sich nicht verändert. Deshalb wusste ich, dass sie zwar sauer, aber nicht tödlich sauer war.
Endlich gelang es Luzifer, sich aufzurichten … Mir zumindest kam es so vor, als brauchte sie endlos lange dazu. Außerdem schien sie Schmerzen zu haben. Ooooch. Der Teufel hatte ein Wehwehchen. Sie hielt sich den Kopf, schloss die bösen, furchterregenden roten Augen und knirschte mit den Zähnen, wie wir deutlich hörten. Dann folgte ein anderes Geräusch, ein gedämpftes Knacken. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was da vorgegangen war: Satan hatte ihre gebrochene Wirbelsäule geheilt. Vor unseren Augen fügten sich die Wirbel langsam wieder zusammen.
Meine Fingerabdrücke zeichneten sich als feuerrote Male auf ihrem Anne-Boleyn-Schwanenhals ab (»Ich habe ja einen schlanken Hals.« Erinnern Sie sich an Anne Boleyns angeblichen Ausspruch kurz vor der Hinrichtung? Der großartige Abgang einer Frau, die wusste, dass sie völlig legal von diesem Mistkerl Henry VIII. hingerichtet werden würde). Während wir noch zuschauten, verblassten die Male an Satans Hals. Es war, als sähe man einen Film rückwärtslaufen. Zuerst waren sie noch deutlich zu sehen, dann wurden sie blasser, und endlich verschwanden sie ganz … beeindruckend, was das Wunder der Schönheitschirurgie für Frauen jeden Alters bewirken kann!
»Wow, wer hätte gedacht, dass es jemals dazu kommen könnte?«, sinnierte ich. »Verrückt. Könnte es möglicherweise an etwas liegen, das du gesagt oder getan hast?«
Satan schaute an sich herunter und musterte ihren zerknitterten Rock und die Laufmaschen in ihrer Strumpfhose. Im nächsten Augenblick war der Rock wieder glatt und die Strumpfhose makellos.
Einige Sekunden Betrachtung widmete sie ihren Füßen. Es schien ewig zu dauern, doch dann materialisierten sich schlichte schwarze Flats, vermutlich Dior.
Ich wusste nicht, warum sie so lange zögerte, mich zu Brei zu schlagen, doch dann kam mir ein Gedanke. Eine Eingebung, die auch Satan in dem Augenblick gekommen sein musste, als ich ihr den Hals gebrochen hatte.
Im Grunde hätte es gar nicht möglich sein dürfen, Satan etwas anzutun. Sie war ein uralter Engel, sie war der Teufel , verdammt noch mal, und das hier war ihre Welt, ihr Reich, ihr Revier! War sie niemals angegriffen worden? War sie, seit Gott sie aus dem Himmel verbannt hatte, niemals unterlegen? Hatte noch keiner versucht, sie auf ihrem eigenen Terrain zu schlagen? Die Vorstellung war ja lachhaft! Selbst ich, die ich als besonders begriffsstutzig und eitel gelte, konnte mir das
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