Zwergenbann: Roman
für möglich gehalten hätte -, und das war ein Grund, mit Recht stolz auf sein Volk zu sein. Das ursprünglich primitive Zeltlager, das sie vor etwas mehr als zwei Monaten einen halben Tagesmarsch vom Fuß des Tharakol entfernt am Ufer des Cadras aufgeschlagen hatten, hatte sich in eine regelrechte Stadt verwandelt, und als solche hatte sie mittlerweile auch einen Namen erhalten. Am gestrigen Tag hatte sich der Hohe Rat auf Elan-Tart geeinigt, was in der alten, mittlerweile nur noch von wenigen beherrschten Zwergensprache ›Juwel der Hoffnung‹ bedeutete, im Gegensatz zu Elan-Dhor, dem ›Juwel der Ewigkeit‹.
Als einer der Ersten hatte Barlok schon vor der unter seinem Kommando geführten Entscheidungsschlacht am Tiefenmeer erkannt, dass sie den Dunkelelben möglicherweise nicht gewachsen sein würden, und hatte das Schreckensszenario einer Evakuierung Elan-Dhors an die Wand gemalt. Da sein Wort Gewicht besaß, hatte man frühzeitig mit entsprechenden Vorbereitungen begonnen, auch wenn niemand geglaubt hatte, dass es wirklich so weit kommen würde. Auch er selbst hatte bis zuletzt gehofft, dass ihnen dies erspart bleiben würde; er war nicht einmal sicher gewesen, ob das Volk der Zwerge an der Oberfläche überhaupt zum Überleben fähig war.
Nun, seine diesbezüglichen Zweifel waren mittlerweile von der Realität widerlegt worden, wenn auch mit Einschränkungen. Ein Überleben war zweifelsohne möglich, auch über einen längeren
Zeitraum hinweg. In dieser Hinsicht hatte sein Volk Durchhaltevermögen und eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit bewiesen.
Ob man diese Existenz jedoch als Leben im eigentlichen Sinne bezeichnen konnte, das stand auf einem ganz anderen Blatt …
Aufmerksam blickte Barlok sich um, während er durch die Straßen Elan-Tarts streifte. Die Abenddämmerung war bereits hereingebrochen, und in spätestens einer halben Stunde würde es dunkel sein. Noch aber gab es genug Licht, dass er seine Umgebung gut erkennen konnte. Er liebte diese abendlichen Spaziergänge und unternahm sie, so oft es seine Zeit zuließ, um die Fortschritte zu betrachten, die es am jeweiligen Tag gegeben hatte.
Am deutlichsten waren diese im Norden der Stadt zu sehen, wo sich die großen Häuser mit zahlreichen Familienangehörigen angesiedelt hatten. Und Häuser war in diesem Fall sogar wörtlich zu verstehen. Im Gegensatz zu den Armen, von denen die meisten entweder gar keinem oder einem nur kleinen, oft erst vor ein oder zwei Generationen gegründeten Haus angehörten, und die in den westlichen Bezirken immer noch hauptsächlich in Zelten oder behelfsmäßigen Holzhütten lebten, hatten die großen und mächtigen Familien längst begonnen, sich Heime aus Stein zu errichten.
Eine richtige Gleichheit gab es nach diesem Neuanfang ebenso wenig, wie sie früher existiert hatte.
Während viele der kleinen und armen Familien nicht mehr von ihrer Habe gerettet hatten, als sie mit ihren Händen tragen konnten, waren die großen Häuser wesentlich besser gefahren. Sie verfügten nicht nur über deutlich mehr Angehörige, die etwas hatten schleppen können, sondern hatten vielfach auch Karren besessen oder zumindest die Möglichkeiten gehabt, sich rasch welche zusammenzimmern zu lassen oder bei den Menschen zu kaufen. Auf diese Art war es ihnen gelungen, einen beträchtlichen Teil ihrer Besitztümer in Sicherheit zu bringen. Besitztümer, die ihnen auch an der Oberfläche Wohlstand und Vorteile anderen gegenüber garantierten.
Natürlich befanden sich die Gebäude alle noch in verschiedenen Stadien des Rohbaus, aber Häuser wie Walortan, Terenis oder Tarkora zählten so viele Angehörige, dass die Arbeiten in ungeheurem Tempo voranschritten.
Daran änderte auch die patriotische Welle nichts, die viele der Arbeiter ergriffen hatte. Um irgendwann bei der Rückeroberung Elan-Dhors helfen zu können, ließen sich derzeit etliche in Kampftechniken und dem Gebrauch von Waffen ausbilden. Einige, die sich als besonders begabt auf diesem Gebiet erwiesen hatten, waren sogar ganz von der Arbeiter- in die Kriegerkaste gewechselt. Trotzdem fanden sie noch genug Zeit, bei der Errichtung der Häuser mitzuhelfen.
Lediglich das Erdbeben vor zwei Nächten und die leichteren Nachbeben hatten die Arbeiten geringfügig verzögert, aber zum Glück keine schweren Schäden angerichtet. Aus ein paar erst wenige Stunden zuvor errichteten und noch nicht ausgehärteten Mauern waren Steine herausgebrochen, und einige waren sogar wieder ganz
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