Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
lachte verzweifelt auf. »Das fragen Sie noch?
Sie haben doch gelesen, was die… nein, ich habe Angst, zu viel Angst. Meinen Sie, ich möchte…« Sie weinte wieder. »Ich werde verkaufen. Ich habe heute schon eine Anzeige in die WAZ gesetzt. Ich will hier weg, hier hält mich nichts mehr.
Ich…«
Sie schluchzte hemmungslos und bei Rainer setzte der männliche Beschützerinstinkt alle intellektuellen Vorbehalte außer Kraft: Er nahm sie in den Arm und strich ihr über das Haar.
Nach einigen Minuten hatte sie sich wieder unter Kontrolle und löste sich vorsichtig aus seinem Arm. »Damit endet auch Ihr Auftrag, Herr Esch. Vielen Dank für Ihre Bemühungen.«
Sie ging zu einer Geldkassette, holte drei Hundertmarkscheine heraus und reichte sie ihm. »Hier. Bitte.«
»Frau Schattler, ich weiß nicht… also, das kann ich nicht…
es war doch nur ein Tag und wir hatten vereinbart…«
»Nun nehmen Sie schon. Bitte. Es ist mir wichtig.«
»Hm. Na gut. Vielen Dank. Aber Frau Schattler, Sie sollten wirklich der Polizei…«
»Keine Sorge, Herr Esch. Sobald der Kiosk verkauft und ich in Sicherheit bin, informiere ich die Polizei über alles.
Schließlich möchte ich auch, dass der Mörder meines Mannes gefasst wird. Dann können Sie auch aussagen. Aber warten Sie noch ein paar Tage, ja? Bitte!«
»Sie können sich auf mich verlassen«, versicherte Esch.
»Und lassen Sie mich wissen, ab wann Sie nicht mehr hier sein werden.«
Als Esch in seinen Wagen stieg, um zurück nach Recklinghausen zu fahren, dachte er einen Moment darüber nach, die Kripo über seinen Auftrag zu informieren, verwarf diesen Gedanken jedoch wieder. Zwar unterlagen Privatdetektive keiner Schweigepflicht und hatten vor allem kein Aussageverweigerungsrecht wie Ärzte, Anwälte oder Pfarrer, trotzdem fühlte sich Rainer an sein Versprechen gebunden.
15
Danisan Ködrünü war ein türkischer Bergmann, dessen Alter Brischinsky auf etwas über vierzig schätzte.
Bedauerlicherweise waren seine Deutschkenntnisse recht dürftig, was die Konversation zwischen Polizeibeamten und Verhörtem nicht unerheblich erschwerte. Hätte nicht Ködrünüs in Deutschland geborener Sohn zeitweilig als Dolmetscher fungiert, wäre es eine einseitige Unterhaltung geworden.
Der Bergmann gab an, zusammen mit seinem Kollegen Debus bei Aufräumarbeiten schon vor Tagen die Wetterfolie entdeckt und in den Transportbehälter gelegt zu haben.
Während der fraglichen Nachtschicht habe er seinen Arbeitsplatz in der Hauptförderstrecke auf der sechsten Sohle, wo er mit Durchsenkungsarbeiten beschäftigt war, nur einmal für einige Minuten verlassen, um ein verlegtes Werkzeug zu suchen. Das könnten seine Kollegen und sein vorgesetzter Steiger bezeugen. Heinz Schattler sei ihm völlig unbekannt. Es sei möglich, dass in seinem Revier ein Pickeisen benötigt würde, nur er habe nie eines gebraucht, da er den Pickhammer nicht benutze. Deshalb wisse er auch nicht, was mit dem alten Pickeisen geschehen sei. Ansonsten sei er mit Sicherheit völlig unschuldig, da er in Deutschland immer nur seiner Arbeit nachgegangen sei, pünktlich Steuern gezahlt und nie Alkohol getrunken habe und ein gläubiger Moslem sei. Das müssten ihm die Herren von der Polizei bitte glauben; einem Wunsch, dem die beiden Beamten gerne nachkamen.
Als Brischinsky und Baumann mit einer Einladung zum nächsten Bauchtanzabend im türkischen Kulturklub in RecklinghausenSüd und nach dem Genuss von je drei Glas Apfeltee die Wohnung von Danisan Ködrünü verlassen hatten, sagte der Hauptkommissar: »Da waren’s nur noch zwei. Da ich Herrn Ködrünü jedes Wort glaube, soweit ich es verstanden habe und der Junge richtig übersetzt hat, scheidet auch Martin Debus mit großer Wahrscheinlichkeit als Täter aus, wenn wir unterstellen, dass der Mörder die Folie über die Leiche gezogen und dabei keine Handschuhe getragen hat.«
»Bleiben also noch Cengiz Kaya und Wolfgang Schäfer. Wen zuerst?«
»Schäfer. Wo wohnt der?«
Baumann sah in seinem Notizbuch nach. »In Herne.
Rottbruchstraße 42 b. Ich weiß, wo das ist. Da haben früher Freunde von mir gewohnt.«
»Wie schön. Also dann los.«
Wolfgang Schäfer öffnete ihnen in einem seidenen Bademantel und mit ungekämmten schwarzen Haaren die Wohnungstür.
»Polizei? Um was geht es denn?«, fragte er erstaunt.
»Dürfen wir vielleicht hereinkommen?«, antwortete Brischinsky.
»Oh, ja. Bitte entschuldigen Sie mein Aussehen, ich hatte Nachtschicht und bin
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