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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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schien sie verlassen zu haben. »Ich tu das, was du beschließt, Marcus.«
    Damit war die Sache geregelt. Wenn Helena Justina sich unterwürfig gab, mußte das arme Mädchen völlig verängstigt sein. Ich traf eine mannhafte Entscheidung. Es überstieg meine Fähigkeiten, eine Frau im letzten Stadium ihrer Schwangerschaft zu beruhigen. Ich brauchte meine Mutter, ich brauchte auch Helenas Mutter. Wir würden nach Hause fahren.
     
    Marius Optatus kam kurz darauf zurückgeritten, und ich teilte ihm meine Entscheidung mit. Er hatte den Anstand, ein trauriges Gesicht zu machen, weil wir ihn so bald verließen. Direkt darauf traf eine Kutsche mit Aelia Annaea und der jungen Claudia ein. Begleitet wurden sie von ein paar kräftigen Reitern, die es sich in unserer Küche bequem machten. Licinius Rufius hatte sich offenbar meinen Rat zu Herzen genommen, das Mädchen zu schützen.
    »Marius erzählte uns, daß Helena in den Wehen läge. Wir sagten, wir würden kommen, um zu helfen …«
    »Nur ein paar Krämpfe«, sagte Helena. »Es tut mir leid, soviel Umstände zu machen.«
    Sie sahen enttäuscht aus. Meine Gefühle waren gemischterer Natur. Einerseits wünschte ich, es wäre alles vorüber, andererseits fürchtete ich mich. Helena warf mir einen besänftigenden Blick zu. Es würde uns beiden gut tun, wenn wir uns um unsere Gäste kümmern mußten. Aber unser gemeinsamer Nachmittag hatte uns einander sehr nahe gebracht. Die Momente tiefer gegenseitiger Zuneigung hallten ebenso stark in uns nach, als hätten wir die Zeit zusammen im Bett verbracht und uns geliebt. Offenbar teilte sich unsere Stimmung den anderen mit, denn sowohl Marius als auch Aelia Annaea betrachteten uns ein wenig fragend.
    Da die anderen gerade von einer Beisetzung kamen, brauchten auch sie Zeit, sich zu sammeln. Der tote junge Mann war zu seinen Vorfahren heimgegangen, die Lebenden konnten ihre Alltagsroutine wieder aufnehmen. Sie waren müde nach den Feierlichkeiten, aber der vehemente Trauerschmerz hatte nachgelassen, selbst für Claudia.
    Helena bestellte Pfefferminztee. Der ist immer gut zur Überbrückung von Verlegenheiten. Alle sind damit beschäftigt, einen Platz für das Teesieb zu finden und aufzupassen, daß sie nicht aus ihrem Becher schlürfen oder Krümel von ihren Mandelkuchen verstreuen.
    Ich saß immer noch nahe bei Helena. Claudia hatte an meiner anderen Seite Platz genommen, damit sie mir erzählen konnte, weswegen sie gekommen war. Marius Optatus hatte sich zu Aelia gesetzt, die ganz darauf eingestellt war, die Lilientöpfe zu bewundern, falls etwas zu Skandalöses zur Sprache kam.
    Zunächst brachten wir das notwendige Ritual hinter uns. Ich entschuldigte mich dafür, so eilig aufgebrochen zu sein. Dann mußte erst ein bißchen Theater um Helena gemacht werden. Danach wurde die Beisetzung kurz durchgekaut, inklusive der Anzahl der Erschienenen, der Menge der Girlanden, der ergreifenden Grabrede und des tröstlichen Wissens, daß der Hingeschiedene nun in Frieden ruhte. Ich fand, dafür hatte Constans zuviel Unerledigtes zurückgelassen, aber da ich hoffte, daß seine Schwester vorhatte, einiges davon wieder in Ordnung zu bringen, war ich bereit, dem Jungen gegenüber Nachsicht walten zu lassen.
    Claudia schien sich nun allmählich zu einem Gespräch mit mir bereit zu fühlen. Sie rutschte unruhig hin und her und wurde rot. Ich gab mir Mühe, ermutigend zu schauen. »Marcus Didius, ich muß Ihnen etwas sagen«, platzte sie schließlich heraus. »Ich muß gestehen, daß ich nicht die Wahrheit gesagt habe!«
     
    Ich beugte mich vor, tat ganz nonchalant, während ich einen Schluck aus dem zierlichen Terrakottabecher nahm. Mit einem winzigen Bronzelöffel rührte ich im Pfefferminztee herum und schnippte ein Teeblatt auf den Boden.
    »Claudia Rufina, seit ich Privatermittler bin, habe ich mit vielen Menschen gesprochen, die mir zunächst etwas erzählten und sich dann eines anderen besannen.« Manchmal sehnte ich mich verzweifelt nach einem Zeugen, der das Muster durchbrechen und mich damit überraschen würde, daß er – unter dem Druck seines schlechten Gewissens oder vielleicht meiner eigenen, um seinen Hals gepreßten Finger – hervorkrächzte, es täte ihm leid, mir zusätzliche Arbeit aufgebürdet zu haben, aber er hätte mir versehentlich eine akkurate Antwort gegeben. Um dann zweifellos hinzuzufügen, sowas sehe ihm gar nicht ähnlich, es müsse ein Moment völligen Wahnsinns gewesen sein, und er wisse nicht, was über ihn

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