Zwillingsbrut
bleiben, um dann schnell heimzufahren und nachzusehen, wie die Dinge standen. Ihr kam die Galle hoch, wenn sie daran dachte, dass ausgerechnet Michelle sie dazu gebracht hatte, sich Bianca gegenüber schlussendlich durchzusetzen. Und das, nachdem diese in Klamotten nach Hause gekommen war, die in Pescolis Augen selbst einer Nutte zu vulgär gewesen wären – Klamotten, die Michelle mit ihr bei ihrem gemeinsamen Shopping-Bummel in der Mall ausgesucht hatte. Guter Gott.
Und dann erst Jeremy mit seinen Videospielen, der keinen blassen Schimmer hatte, was er sonst mit sich anfangen sollte …
Sie stieg aus und trat in den unablässig vom Himmel rieselnden Schnee. Sie senkte den Kopf, um sich vor den großen Flocken zu schützen, und rannte die Stufen zum Department hinauf, die Zähne zusammengebissen, die Gedanken bei ihrem Sohn. Was zum Teufel dachte er sich bloß dabei? Sie würde nicht zulassen, dass er zu Hause herumhing und gar nichts machte. Selbst Lucky würde das nicht durchgehen lassen. Wenn Jeremy nicht bald seinen Hintern hochkriegte, würde Pescoli ausrasten und die verdammten Computerspiele, an denen sein ganzes Herz hing, einer Wohltätigkeitseinrichtung spenden. Sie war sich absolut sicher, dass irgendein bedürftiges Kind ausflippen würde vor Freude über
Kill ’Em Dead
oder
Annihilation
oder
The End of the World
oder wie immer dieser mörderische Schund heißen mochte. Das perfekte Weihnachtsgeschenk.
Der Gedanke an Jeremy brachte sie auf Heidi Brewster, und diese erinnerte sie wiederum an den stellvertretenden Sheriff und die Tatsache, dass sie beim Wichteln ausgerechnet seinen Namen gezogen hatte.
Sie klopfte sich den Schnee von den Stiefeln und ging den noch immer halb dunklen Gang entlang zu ihrem Schreibtisch. Alvarez saß bereits an ihrem Arbeitsplatz, das dunkle, glatte Haar straff zurückgebunden. Ihre Schreibtischlampe warf einen kleinen Lichtkegel auf die Papiere vor ihr.
Pescoli blieb stehen, drückte auf einen Lichtschalter und tauchte das Großraumbüro in hartes, grelles Neonlicht.
Alvarez blickte auf. »Bist du aber mies drauf.«
»Woher willst du das denn wissen?«
Ihre Partnerin warf ihr einen vielsagenden Blick zu, und sie stellte fest, dass sie breitbeinig, die Arme verschränkt, dastand und aggressiv in die Gegend starrte.
»Wie geht’s Bianca?«, erkundigte sich Alvarez.
»Sie schläft. Hoffentlich allein, obwohl Chris ihr nicht von der Seite weicht. Er hält sich offenbar für einen Engel der Barmherzigkeit.«
»Ihr Freund?«
Pescoli schnaubte und erzählte ihrer Partnerin, dass dieser Freund mittlerweile rund um die Uhr in ihrem Haus anzutreffen war. »Urplötzlich führt er sich auf wie ein besorgter Vater und wirft sämtliche Regeln über den Haufen. Und dann erst Jeremy … wenn er seine Zeit nicht mit Computerspielen totschlägt, in denen er Legionen futuristischer Zombieroboter vernichten muss, schaut er sich erotische Bilder von Heidi Brewster auf seinem Handy an. Das war eine Überraschung, als er das Ding letztes Mal liegen lassen hat. Fotos waren darauf, und jeder, der das Ding zufällig in die Hand nahm, konnte sie sehen. Wenn ein Bild mehr sagt als tausend Worte, dann sprechen diese Fotos Bände. Manche sind … nun, ich bin schlichtweg sprachlos.«
Alvarez’ dunkle Augen weiteten sich und warfen Pescoli warnende Blicke zu.
»Brewster?«, fragte Pescoli, die schon vermutete, dass dieser direkt hinter ihr stand.
»Sie sind also schlichtweg sprachlos«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme.
Langsam drehte Regan sich um und betrachtete den stellvertretenden Sheriff voller Unbehagen. Ein Teil ihres Ärgers verflog, als sie in sein versteinertes Gesicht blickte. Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, war ihr klar, dass auch er kaum an sich halten konnte. »Sie ist voll bekleidet«, teilte sie ihm mit und hob abwehrend die Hände.
»Aha. Aber?«, fragte er herausfordernd.
»Nichts aber. Nur ein Zungenkuss mit meinem Sohn«, erwiderte Pescoli, »dem ich dafür kräftig die Meinung geigen werde. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
Brewster öffnete den Mund und schloss ihn wieder, mehrere Male, wie ein Fisch auf dem Trockenen, dann wandte er sich ab und stapfte von dannen.
Als er weg war, fragte Alvarez: »Es hat dir die Sprache verschlagen, weil du Jeremy und Bianca bei einem Zungenkuss erwischt hast?«
»Auf einem Foto war sie zu sehen, wie sie sich nach vorne beugt, direkt in die Kamera blickt und wie verrückt an einem Lutscher saugt.
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