Zwillingsbrut
gebrauchten Teebeutel in ihre Tasse und fragte: »Möchten Sie Orange Pekoe oder English Breakfast?«
»Pekoe, bitte«, antwortete Alvarez, bemüht, das Gespräch in Gang zu halten. Sie stand im Essbereich auf der anderen Seite des Küchentresens und sah zu, wie Lois eine Dose mit losem Tee hervorkramte und einen Löffel voll in die zweite Tasse schaufelte.
Während der Tee zog, erinnerte Alvarez die alte Dame: »Sie sagten: ›Sie war ein nettes Mädchen, eine nette Frau, meine ich, nur ein bisschen zu …‹, dann haben Sie den Satz abgebrochen. Was wollten Sie sagen?«
»Oh. Tja.« Plötzlich nachdenklich, spielte Lois mit ihrem Teebeutel. »Jocelyn war kompliziert, auch wenn ich sie nicht besonders gut kannte.« Sie drückte den Beutel aus und warf ihn in den Müll. Sofort steckte Kaiser seine lange Schnauze in den offenen Eimer. »Raus da, Mister! Du weißt genau, dass du das nicht darfst!«
Mit eingezogenem Schwanz sauste der Dackel aus der Küche. Lois folgte ihm auf die andere Seite des Küchentresens und bot Alvarez einen Platz auf einem der antiken Sessel an.
»Was meinen Sie mit ›kompliziert‹?«
»Vielleicht ist das das falsche Wort.« Sie pustete über den dampfenden Tee und setzte sich auf einen der anderen Sessel auf ein abgewetztes Kissen. Dann stellte sie ihre Tasse auf dem Kaffeetisch ab und stützte nachdenklich die Ellbogen auf. »Wissen Sie, Jocelyn war jung und … nicht unbedingt stürmisch, eher enthusiastisch und so versessen darauf, sich zu verlieben. Sie war bereits verheiratet, und das nicht nur einmal, sondern zweimal. Dabei war sie erst … vierunddreißig?« Missbilligend zog Lois die Mundwinkel herab.
»Fünfunddreißig«, stellte Alvarez richtig. »Heutzutage ist es nichts Ungewöhnliches, wenn man in diesem Alter bereits mehrfach verheiratet war.«
»Oh, ich weiß, ich weiß, und ich verurteile sie ja auch gar nicht.« Lois Emmerson schüttelte nachdrücklich den Kopf und fügte hinzu: »Dennoch hatte ich den Eindruck, dass sie auf der Suche nach einem Mann war, und zwar auf Biegen und Brechen. Sie hat im Internet nach einem Partner geschaut, sich mit dem Vater eines ihrer Schüler getroffen und schien langsam, aber sicher zu verzweifeln.« Sie nippte an ihrem Tee.
»Hatte sie viel Herrenbesuch?«
Lois winkte ab, als wüsste sie darauf keine rechte Antwort.
Vielleicht ja, vielleicht nein.
»Ein paar Männer hab ich hier gesehen. Aber ich bin keine Schnüfflerin, deswegen kann ich das nicht mit Bestimmtheit sagen. Dieser Rancher, der Vater ihres Schülers, der war da. Trask oder Trevor oder so ähnlich … Groß. Attraktiv.«
»Trace O’Halleran.«
»Ja, so hieß er. Aber die Beziehung war schon seit einer Weile zu Ende.« Sie schürzte die Lippen, als sie sich erinnerte. »Ich denke, sie war sehr enttäuscht darüber. Ihre biologische Uhr tickte ziemlich laut.«
»Hat sie sich in letzter Zeit mit jemand anderem getroffen?«
»Mit niemandem, den ich kenne. Zwei Männer waren da, glaube ich. Einer war groß, gebaut wie ein Bodybuilder. Er fuhr einen dunklen Pick-up. Ich erinnere mich nur an ihn, weil Kaiser, der kleine Frechdachs, sein Bein am Vorderreifen gehoben hat. Ein Michelin, das weiß ich noch.«
»Einheimische Nummernschilder?«
»Oh … da habe ich keine Ahnung.« Sie schüttelte den Kopf. »Nachdem Kaiser sein Geschäft erledigt hatte, bin ich gleich ins Haus zurückgekehrt.«
»Können Sie den Pick-up näher beschreiben?«, fragte Alvarez. Wahrscheinlich war das Ganze ohne jeden Belang, aber sie hatten nicht viel, dem sie nachgehen konnten.
»Nein … nur dass er groß war, nicht einer von diesen kleinen Dingern.«
»Amerikanische Marke?«
Sie zuckte die Achseln. »Alles, woran ich mich erinnere, ist, dass er dunkel war. Schwarz oder blau oder grau, und er war ziemlich neu, glaube ich, keine Dellen und sehr schöne Reifen.« Sie unterdrückte ein Schmunzeln über die Untat ihres dreisten Dackels.
»Das Gesicht des Mannes konnten Sie nicht erkennen?«
»Nein.«
»War er schwarz oder weiß? Oder ein Latino?«
»Weiß … glaube ich. Ich bin mir aber nicht sicher.«
So viel zur Identifizierung des geheimnisvollen Unbekannten.
»War er häufiger hier?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe lediglich ein paarmal seinen Pick-up bemerkt. Gesehen habe ich ihn nur dieses eine Mal, und das auch nur von hinten.« Sie lächelte verzagt. »Es tut mir leid.«
»Sie sagten, Sie hätten noch einen zweiten Mann gesehen?«
»Vielleicht. Vielleicht nicht«,
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