Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Sicherheitspolizei aufgetaucht. Aus gutem Grund und mit gebührend dicken Ordnern, dachte Berg mit schrägem Lächeln, doch nach dem soeben beendeten Herbstreinemachen war das Archiv leer und sauber, und alle Unterlagen, die unnötigen Ärger verursachen konnten, befanden sich außerhalb des Hauses in sicherer Verwahrung. Eine Woche darauf würde er die politisch eingesetzte Leitung der Sicherheitspolizei treffen, und unter seinen Mitarbeitern wurden schon eifrige Wetten darüber abgeschlossen, welche der neuen Führungskräfte diesmal einen Besuch im Personenarchiv der Sicherheitspolizei anregen würde. Es standen drei zur Auswahl, und alle wirkten recht vorhersagbar.
Durch die externen Aktivitäten war eine Analyse der politischen Schlüsselfiguren vorgenommen worden, mit denen die Mutterorganisation jetzt zusammenarbeiten sollte. Insgesamt ging es dabei um ein Dutzend Personen, von denen die qualifizierte Mehrheit in Rosenbad saß und sich ungefähr gleichermaßen auf Justiz- und Verteidigungsministerium verteilte. Allesamt waren sie mit einem sicherheitspolitischen Profil bedacht worden, dessen Schwerpunkt aus einer Zusammenstellung ihrer besonderen Interessen und Neigungen bestand, wenn es um Fragen ging, die die Sicherheit des Landes betrafen.
Auf dieser Grundlage war sodann eine kundenangepasste Prioritätenliste erstellt worden zu den Berichten und Problemen, die den neuen Konsumenten möglicherweise am Herzen lagen, und im Moment war Bergs gesamte Analysegruppe damit beschäftigt, die Informationen herauszusuchen, die sie brauchten, wenn sie in ungefähr zwei Wochen, auch hier wurden eifrig Wetten abgeschlossen, beweisen müssten, dass sie gerade diese Probleme schon seit langem mit ernster Sorge beobachtet hatten.
Die Liste der priorisierten Bereiche war für einen alten Fuchs wie Berg wenig aufregend. Es gab die üblichen alten Artikel aus dem Standardsortiment, wie die Kontrolle von Personen mit brisanten Aufgaben und die Überwachung der verschiedenen politisch extremen Parteien, wobei es, egal, wie deren Farbe auch sein mochte, ja doch im Großen und Ganzen darum ging, die eigene Haut zu retten und im Grunde nur ein wenig Unkraut zu jäten und die Perspektiven ein wenig zu verschieben, damit alles so weitergehen konnte wie bisher. Dass Nazis und Rechtsextremen jetzt Priorität zukommen musste, lag natürlich auf der Hand, auch wenn er sich darüber ärgerte. Seine Mittel waren nicht unerschöpflich, und Berg vertrat die Auffassung, dass dieses Geld besser angelegt werden könnte als zur Überwachung von ein paar hundert halb debilen und verwirrten Rotzbengeln, die nicht einmal dann im Takt marschieren konnten, wenn sie sich nicht mit Starkbier voll gegossen hatten. Was sie aber fast immer taten, dachte Berg sauer. Aber es war nun einmal, wie es war, und so musste es eben sein.
Was ihn freute, war sein eigener Beitrag zur Liste der priorisierten Bereiche. Wenn man sich die Geschichte der Sicherheitspolizei ansah, dann war das etwas Neues, das wirklich Erfolg versprechend war, und dass sein Elend von Neffe ihn auf die Idee gebracht hatte, machte die Idee ja nicht schlechter. Bergs Vater war Polizist auf dem Land gewesen, in der alten Organisation, lange vor der Verstaatlichung. Er hatte zwei Söhne bekommen, die beide zur Polizei gegangen waren. Bei Berg war alles gut und weit über jegliche Erwartung verlaufen, bei seinem älteren Bruder jedoch nicht. Nach Verlassen der Polizeischule war Berg zur Bereitschaftspolizei in Stockholm versetzt worden. In seiner freien Zeit hatte er per Fernkurs das Abitur gemacht. Danach hatte er sich von der Polizei beurlauben lassen und mit dem Geld, das er als Streifenpolizist gespart hatte, ein Jurastudium absolviert. Nach drei Jahren hatte er das Examen abgelegt, für das die meisten fünf Jahre brauchten, und als er sich dann bei den Anklagebehörden beworben hatte, war er mit offenen Armen empfangen worden. Mehrere seiner neuen Kollegen hatten die gleiche Klassenreise wie er unternommen. Nach zehn Jahren bei der Staatsanwaltschaft war er von der Sicherheitspolizei angesprochen worden. Die Polizei war verstaatlicht worden, die Sicherheitspolizei war jetzt neu organisiert und bildete eine besondere Abteilung innerhalb der Landespolizeileitung. Die alten Tätigkeiten mussten erweitert werden, abgenutzte Besen wurden durch neue ersetzt, und Berg wurde als einer der Ersten gefragt. Zehn Jahre darauf war er so mehr oder weniger der Chef des Ganzen.
Sein älterer Bruder
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