Zwischen Himmel und Liebe
gemacht. Sonst hatte sich Elizabeth auch nie für die anderen Menschen im Leben eines Partners interessiert, denn sie fand es zweitrangig, ob deren Gesellschaft ebenfalls angenehm war. Aber bei Ivan hatte sie das Gefühl, dass sie diese andere Perspektive brauchte. Sie wollte seine Beziehung zu anderen kennen lernen, damit er noch realer, noch plastischer für sie wurde. Genau dieses Argument hatten ihre Partner auch immer vorgebracht, und jetzt verstand Elizabeth endlich, was sie gemeint hatten.
Als sie wegfuhr, hatte Elizabeth ihm im Spiegel nachgesehen, denn sie wollte wissen, in welche Richtung er ging. Er hatte rechts und links die um diese späte Stunde menschenleeren Straßen hinuntergeblickt und sich dann in Richtung Hügel aufgemacht, wo auch das neue Hotel lag. Aber nach ein paar Schritten war er stehen geblieben, hatte sich umgedreht und war in die entgegengesetzte Richtung marschiert. Er überquerte die Straße, schritt zielstrebig in Richtung Killarney aus, hielt dann aber plötzlich wieder an, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich schließlich auf den steinernen Sims vor dem Ladenfenster der Metzgerei.
Elizabeth hatte den Eindruck, dass er gar nicht wusste, wo sein Zuhause war, oder wenn doch, dann kannte er den Weg dorthin nicht. Sie wusste, wie sich das anfühlte.
Am Montagnachmittag stand Ivan vor der Tür zu Opals Büro und lachte leise in sich hinein, während er zuhörte, wie Oscar volle zehn Minuten bei seiner Chefin Dampf abließ. Doch so amüsant das war, konnte er nicht ewig auf sie warten, denn um sechs war Ivan mit Elizabeth verabredet. Er hatte noch zwanzig Minuten. Samstagnacht war die wundervollste Nacht seines langen, langen Lebens gewesen, aber seither hatten sie sich nicht mehr gesehen. Ivan hatte versucht, von ihr wegzugehen. Er hatte versucht, Baile na gCroíthe zu verlassen, er hatte versucht, zu jemand anderem zu gehen, der ihn brauchte. Aber er brachte es nicht fertig. Er wollte nirgendwo anders sein als bei Elizabeth, und das Gefühl war stärker als alles, was er bisher erlebt hatte. Diesmal war es nicht nur sein Bewusstsein, das ihn trieb, sondern auch sein Herz.
»Opal«, hörte man Oscars ernste Stimme, »ich brauche nächste Woche unbedingt mehr Leute.«
»Ja, das verstehe ich, Oscar, und wir haben mit Suki schon alles klargemacht. Sie hilft dir im Labor«, erklärte Opal in ihrem sanften, aber bestimmten Ton. »Mehr können wir momentan nicht tun.«
»Das reicht aber nicht«, tobte er. »Samstagnacht haben sich Millionen von Menschen die Delta-Aquariden angeschaut – hast du überhaupt eine Vorstellung, wie viele Wünsche in den nächsten Wochen über uns hereinbrechen werden?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, und Opal machte auch keine Anstalten, ihm eine zu geben. »Das ist eine gefährliche Prozedur, Opal, ich brauche unbedingt Unterstützung. Suki mag ja ganz toll sein, was das Organisatorische angeht, aber für Wunschauswertung ist sie überhaupt nicht qualifiziert. Entweder kriege ich Hilfe, oder ihr müsst euch einen neuen Wunschanalytiker suchen«, schnaubte er abschließend und stürmte an Ivan vorbei aus dem Büro. Während er den Korridor hinunterstampfte, brummte er: »Nach dem ganzen langen Meteorologiestudium muss ich mich jetzt mit
so was
rumschlagen!«
»Ivan!«, rief Opal.
»Wie machst du das nur?«, fragte Ivan und betrat das Büro. Sein Verdacht, dass sie durch Wände sehen konnte, erhärtete sich immer mehr.
Sie blickte vom Schreibtisch auf und lächelte schwach. Unter ihren rot geränderten Augen waren dunkle Schatten. Sie sah aus, als hätte sie seit Wochen nicht geschlafen.
»Du kommst zu spät«, sagte sie sanft. »Du hättest schon um neun heute Vormittag hier sein sollen.«
»Wie bitte?«, Ivan sah sie verwirrt an. »Ich bin überhaupt nur gekommen, weil ich dir eine kurze Frage stellen möchte. Aber ich muss gleich wieder weg«, fügte er schnell hinzu.
Elizabeth, Elizabeth, Elizabeth
, sang die Stimme in seinem Kopf.
»Wir hatten abgemacht, dass du heute für mich einspringst, erinnerst du dich?«, entgegnete Opal fest, erhob sich von ihrem Schreibtisch und kam auf Ivan zu.
»O nein, nein, nein«, widersprach er hastig und wich zur Tür zurück. »Ich würde dir gern helfen, Opal, ehrlich. Helfen gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber jetzt kann ich echt nicht, ich habe eine Verabredung mit meiner Klientin. Die kann ich nicht verpassen, du weißt doch, wie das ist.«
Opal lehnte sich an den
Weitere Kostenlose Bücher