Zwischen Himmel und Liebe
und Poppy starrte stumm den Drehstuhl an. Nach einer Weile wurde Elizabeth nebenan unruhig, weil sie es nicht gewohnt war, dass so lange Schweigen herrschte, und streckte den Kopf durch die Tür.
»Alles in Ordnung, Mädels?«, fragte sie.
Ein rätselhaftes Quietschen war die einzige Antwort.
»Poppy?«
Poppy rührte sich nicht, erklärte aber: »Der Stuhl.«
Elizabeth kam ganz aus ihrem Büro und schaute in die angegebene Richtung. Der farbbespritzte Stuhl hinter Poppys Schreibtisch, den Poppy einfach nicht ausrangierte, obwohl Elizabeth sie schon seit Monaten darum bat, drehte sich wie verrückt um sich selbst, und die Schrauben jaulten. Poppy stieß ein nervöses Gekicher aus. Nach einer Weile näherten sie und Elizabeth sich vorsichtig dem Drehstuhl, um ihn zu untersuchen. Becca blieb sitzen und las weiter, als wäre ein sich von allein drehender Stuhl das Normalste der Welt.
»Becca«, fragte Elizabeth mit einem halben Lachen, »hast du das gesehen?«
Becca hob immer noch nicht die Augen, antwortete aber mit leiser Stimme: »Das macht er schon seit etwa einer Stunde. Er bleibt stehen und fängt dann wieder an, dauernd.«
»Ist das irgendeine neue Kreation von dir, Poppy?«, erkundigte sich Elizabeth stirnrunzelnd.
»Schön wär’s«, antwortete Poppy, noch immer in ehrfürchtigem Staunen.
Schweigend beobachteten sie den Stuhl, der sich munter weiterdrehte. Quietsch, quietsch, quietsch.
»Vielleicht sollte ich Harry rufen. Wahrscheinlich hat es irgendwas mit den Schrauben zu tun«, überlegte Elizabeth.
Zweifelnd hob Poppy die Augenbrauen. »Klar, bestimmt liegt es an den
Schrauben
, dass er sich so doll und auch noch von ganz alleine dreht«, meinte sie sarkastisch, während sie weiter den vielfarbigen Wunderstuhl anglotzte.
Elizabeth klaubte eine imaginäre Fluse von ihrer Jacke und räusperte sich. »Weißt du, Poppy, du musst den Stuhl wirklich neu beziehen lassen, er ist einfach kein gutes Aushängeschild. Ich bin sicher, dass Gwen das schnell und gut für dich erledigen kann.«
Poppy riss die Augen auf. »Aber der Stuhl
soll
doch so aussehen, er ist Ausdruck meiner Persönlichkeit, ein Teil von mir. Und der einzige Gegenstand hier im Raum, auf den ich mich projizieren kann.« Sie blickte sich voller Abscheu um. »In diesem blöden
beigen
Zimmer.« Sie betonte das Wort, als wäre es etwas Unanständiges. »Außerdem arbeitet
Mrs. Bracken
nicht besonders gern, sondern verbringt ihre Zeit lieber beim Tratschen mit ihren Freundinnen, die jeden Tag vorbeikommen, weil sie nichts Besseres zu tun haben.«
»Ach, komm schon, das stimmt doch nicht. Und denk dran, nicht jeder Mensch teilt deinen Geschmack. Wir sind ein seriöses Innenarchitekturbüro, und da würden etwas weniger … na ja, weniger ausgefallene Designs uns vielleicht besser repräsentieren. Dinge, die die Leute sich auch in ihrer eigenen Wohnung vorstellen können.« Sie betrachtete den Stuhl weiter. »Er sieht aus, als hätte sich ein Vogel mit einer sehr schlechten Verdauung darauf entleert.«
»Freut mich, dass wenigstens einer mal versteht, was ich damit ausdrücken wollte«, meinte Poppy stolz.
»Außerdem hab ich dir schon erlaubt, den Wandschirm aufzustellen«, sagte Elizabeth und machte eine Kopfbewegung zu dem Raumteiler zwischen Beccas und Poppys Arbeitsbereich, den Poppy in jeder nur erdenklichen Farbe und mit jedem der Menschheit bekannten Material geschmückt hatte.
»Ja, und die Leute
lieben
diesen Wandschirm«, entgegnete Poppy. »Ich hab schon drei Nachfragen von unseren Kunden gekriegt.«
»Nachfragen? Wann das Ding endlich auf dem Sperrmüll landet?«, fragte Elizabeth mit einem Grinsen.
Mit verschränkten Armen und schief gelegtem Kopf betrachteten sie beide den Wandschirm, als wäre er ein Kunstwerk in irgendeinem Museum, während sich der Stuhl vor ihnen unablässig weiterdrehte.
Auf einmal hüpfte er in die Höhe, und der Wandschirm neben Poppys Schreibtisch stürzte krachend auf den Boden. Alle drei Frauen sprangen auf und machten einen Schritt zurück. Der Stuhl wurde langsamer und hielt schließlich an.
Poppy hielt sich die Hand vor den Mund. »Das ist ein Zeichen«, flüsterte sie.
Auf der anderen Seite des Zimmers begann die sonst so stille Becca laut zu lachen.
Bestürzt sahen Elizabeth und Poppy sie an.
»Hmm«, war alles, was Elizabeth herausbrachte, bevor sie sich abwandte und in ihrem Büro verschwand.
Ivan lag auf dem undefinierbaren Ding, auf dem er nach seinem Sprung vom
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